Montecristo, Romeo y Julieta und Sancho Panza – die Namensgebung so mancher Zigarrenmarke fand ihre Inspiration in Werken der Weltliteratur. Mit der Namensgebung würdigten die Arbeiter einer Fabrik besonders beliebte und während der Arbeit oftmals gehörte literarische Werke.
Die Tradition des lauten Vorlesens in Zigarrenfabriken lässt sich bis in das Jahr 1865 zurückverfolgen. Nicht zuletzt aufgrund der hohen Analphabetenrate und der Monotonie der Arbeit stieß das Vorlesen auf so reges Interesse, dass sich die Praxis rasch in Kuba und darüber hinaus verbreitete. Der Lector bzw. die Lectora wurde dabei von den Fabrikarbeitern selbst bezahlt. Nicht immer war das Vorlesen jedoch gerne gesehen. Um das Aufkeimen unliebsamen Gedankenguts und unaufmerksames Arbeiten zu verhindern, wurden besonders in politisch brisanten Zeiten Vorleseverbote erteilt.
Heute ist Kuba neben der Dom. Rep. das einzige Land, in dem Lectores nach wie vor täglich ihrer Arbeit nachgehen und als angesehener Berufsstand gelten. Das Vorlesen wird dabei nicht nur als lebendig gehaltene Tradition und Mittel der kulturellen und politischen Bildung der Arbeiterklasse gesehen, sondern soll die Roller auch animieren und bei Laune halten. Die Arbeiter wählen ihren Vortragsstoff aus zuvor geprüften und freigegebenen Werken: Gelesen werden Texte von Da Vinci Code bis Victor Hugo, von Selbsthilfebüchern bis zu historischen Abhandlungen – und natürlich die Tagesnachrichten, vorgetragen aus der kubanischen Parteizeitung.
Leseempfehlung:
Araceli Tinajero:
El Lector. A History of the Cigar Factory Reader.
First University of Texas Press, 2010.
Dieser Artikel wurde in der Cigar Journal Sommer-Ausgabe 2014 veröffentlicht. Mehr