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Beruf: Testraucher bei Partagás

Gerardo Álamo Gómez trägt einen blauen Mechanikerkittel. Am Vormittag war er in der Partagás-Fabrik unterwegs, hat da und dort etwas repariert. Als Mechanico Industrial ist er zuständig für alle Maschinen und die Elektronik in der Zigarrenmanufaktur, die vorübergehend an der Calle San Carlos in Havanna untergebracht ist, während die alte Partagás-Manufaktur renoviert wird.

Jetzt ist es kurz vor zwölf Uhr und Gerardo hat wie jeden Tag seine Arbeit unterbrochen, um sich auf den Weg in den zweiten Stock zu machen, wo die Comisión de Degustación tagt. Der Mechaniker ist Mitglied des Catadores-Teams und damit einer von zwölf Partagás-Testrauchern.

An diesem Donnerstag Anfang Juni sind nicht alle Mitglieder der Kommission vor Ort. Einige der Catadores, die im Hauptberuf als Zigarrenroller arbeiten, sind unterwegs im Ausland und demonstrieren auf Tourneen ihre Handwerkskunst, andere haben frei. Dafür darf ich mich an den Tisch setzen und mit testen. Wir rauchen eine Habano mit der Vitola de Galera Julieta. Zuerst wird geschnuppert, der Duft der kalten Zigarre geprüft. Dann zünden wir sie an, die Degustation beginnt.

Das Auswahlverfahren

Testraucher wird man bei Partagás durch einen Wettbewerb. Die Kommission der Catadores wird alle zwei Jahre neu gebildet. Alle Mitarbeiter der Fabrik können sich bewerben, vom Zigarrenroller über den Mechaniker bis zum Kantinenkoch. Die Aufgabe ist begehrt, es melden sich jeweils über 50 Interessenten. Um in die engere Auswahl zu kommen, müssen die Kandidaten zuerst ihre Geschmackssicherheit beweisen. Die Aufgabe: fünf mit Wasser gefüllte Gläser mit den Geschmacksrichtungen süß, salzig, sauer, bitter und neutral müssen richtig zugeordnet werden. Danach wird geraucht. Alle Kandidaten erhalten drei Zigarren: zwei identische sowie eine, die geschmacklich abweicht. Wer die Zigarre mit dem abweichenden Geschmack erkennt, kommt eine Runde weiter.

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Photo: Boris L. Muriedas

Dieser Triangulationstest wird so lange wiederholt, bis am Schluss die zwölf Catadores feststehen. Der Wettbewerb produziert keine Zufallsgewinner: Drei der Catadores in unserer Runde gehören schon lange zum Team. Judith Sobrino Casanova ist normalerweise Escogedora und damit bei Partagás für die Farbsortierung der Zigarren zuständig.

Mit ihrem Sensorik-Talent hat sie es aber schon weit gebracht: Sie war Teilnehmerin und Finalistin des ersten Blind-Tasting-Wettbewerbs des Habanos Festivals. Zudem ist sie Mitglied des nationalen Degustationskomitees, der Cata General, das bei der Entwicklung von Neuheiten beigezogen wird. Auch Anselmo Padrón Guerra und Alexander Martinez Garcia sind Veteranen im Testraucher-Team von Partagás; Anselmo war früher Catador in der H. Upmann-Manufaktur, man kennt sich schon lange. Wir rauchen alle dasselbe Format, prüfen aber Zigarren von verschiedenen Zigarrenrollern. Ein Austausch über die Qualität der getesteten Zigarren findet also nicht statt, wenn alle unterschiedliche Zigarren rauchen? Das ist nicht nötig, erklären die Catadores.

Mit ihrer Routine sind sie in der Lage, die Qualität einer Zigarre allein zuverlässig zu beurteilen. Die Nummer des Torcedors, der die Zigarre gerollt hat, tragen wir in das Testblatt ein, das vor uns liegt. Darauf sind die weiteren Kriterien ersichtlich, die zu bewerten sind. Das wichtigste von allen: der Zug. Die Tests der Catadores ergänzen die Überprüfung mit der Zugmaschine. Weil Catadores und Zugmaschinen nach dem Zufallsprinzip testen, werden systematische Zugprobleme zuverlässig aufgedeckt.

Parfum und Seife sind verboten

Wir sitzen gemeinsam an einem großen Tisch. Hinter uns an der Wand gibt es einige Raucher-Kabäuschen mit Trennwänden, diese werden aber nur bei Wettbewerben benützt: bei der Erneuerung der Catadores-Kommission und für die Qualifikation zum Blind Tasting-Wettbewerb beim Festival. Nun bewerten wir den Geschmack, das Aroma und die Stärke unserer Testzigarren.

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Photo: Boris L. Muriedas

Der Geschmack entwickelt sich am Gaumen, das Aroma wird mit der Nase geprüft. Die Catadores achten speziell auf allfällige Fremdgerüche. „Torcedores dürfen ihre Hände nur mit Wasser waschen“, erklärt Mechaniker Gerardo Álamo Gómez. Der Geruch von Seife oder Parfum kann sich auf den Tabak übertragen.

Bei den kostbaren länger gereiften Tabaken ist besondere Vorsicht geboten, weil sie trockener sind und Fremdgerüche aufsaugen wie ein trockener Schwamm. Das zweite wichtige Merkmal, auf das die Catadores achten, ist die Geschmacksstabilität. Weil die Zigarren später nach Farben sortiert werden und am Schluss jedes Kistchen Zigarren verschiedener Roller enthalten wird, muss der Geschmack jeder Zigarre absolut identisch sein. Einen individuellen Stil dürfen die Zigarrenroller nicht entwickeln.

Wenn eine Zigarre nicht dem Geschmacksprofil der Marke entspricht, beginnt die Fehlersuche. Die Catadores besprechen das Problem zuerst mit dem jeweiligen Torcedor. Die Roller müssen bei jeder einzelnen Zigarre das richtige Mischverhältnis einhalten – eine der Herausforderungen bei der Herstellung einer handgefertigten Habano. Die Zigarrenroller erhalten jeweils Tabake für ihre ganze Tagesproduktion und müssen diese richtig einteilen.

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Photo: Boris L. Muriedas

Jede Abweichung wird außerdem unverzüglich dem Maestro Ligador, dem Chefblender, gemeldet, der die Verantwortung für die Mischungen in der Fabrik trägt. Die Catadores geben dem Maestro Ligador zudem auch Rückmeldungen zur allgemeinen Entwicklung der Mischungen. „Die Tabakcharakteristik kann sich zwischen den Jahrgängen unterscheiden“, bestätigt Arnaldo Bichot, der Maestro Ligador von Partagás, der mit uns am Tisch sitzt. Diese Schwankungen werden durch kleinere Anpassungen der Mischung ausgeglichen.

Neben dem Tagesgeschäft gehört auch das Proberauchen von Neuentwicklungen zu den Aufgaben der Catadores. Das sind oft Ediciónes Regionales, manchmal aber auch Limitadas oder neue Standardformate. Zum Beispiel wurde die Partagás Lusitanias Gran Reserva Consecha 2007 zum ersten Mal an diesem Tisch geraucht. Die Catadores geben dem Maestro Ligador Feedback. Sind die Haustester zufrieden, holt der Meister-Blender in einem zweiten Schritt die Meinung der Catadores von anderen Fabriken ein. Danach wird schliesslich die Cata General einberufen. Dieses Gremium besteht aus den besten Sensorikexperten des Landes. Hier wird zusammen mit dem verantwortlichen Torcedor und dem Maestro Ligador über das neue Produkt diskutiert.

Hölzern ja, blumig nein

Was denken die kubanischen Sensorik-Spezialisten über blumige Zigarrenbeschreibungen, die den Geschmack mit waldig, erdig, hölzern oder anderen phantasievollen Begriffen beschreiben? Die Catadores überlegen. Ja, es stimme, dass Zigarren mit höherem Ligero-Anteil ein holziges, zedriges Aroma aufweisen.

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Photo: Boris L. Muriedas

In erster Linie denken die Profis aber in den Kategorien Seco-Volado-Ligero. Sie sind in der Lage, das Mischungsverhältnis einer Habano-Zigarre nur anhand des Geschmacks exakt zu bestimmen.

Wir rauchen eine Bolívar Coronas Gigantes, wie die Catadores beiläufig erwähnen. Dies herauszufinden war für sie ein Kinderspiel, obwohl wir blind rauchen. In der Regel rauchen die Catas, wie man die Catadores im Alltag nennt, drei Zigarren pro Sitzung, die jeweils eine Stunde dauert.

Unsere Habano nähert sich dem punto de verdad, wie Judith Sobrino Casanova den Moment nennt, bei welchem sie eine qualifizierte Beurteilung über eine Zigarre abgeben kann. Mindestens das erste Drittel einer Zigarre muss sie dafür rauchen. Dem Urteil über die Calidad General schließe ich mich an: excelente.

Bevor Mechaniker Gerardo Álamo Gómez sich wieder seiner normalen Arbeit zuwendet, geht er beim Torcedor vorbei, der seine Zigarre gerollt hat. „Ich kritisiere nicht nur“, erklärt er, „heute überbringe ich Glückwünsche.“

 

Dieser Artikel wurde in der Cigar Journal Herbst-Ausgabe 2013 veröffentlicht. Mehr

Manuel Fröhlich aus der Schweiz gründete mit 18 Jahren einen Online-Handelsgeschäft für Zigarren. Während seines Studiums an der Universität St. Gallen baute er das Geschäft aus und eröffnete schliesslich 2014 in Zürich das Manuel’s, ein karibisches Genussmittelgeschäft für Zigarren, Kaffee und Rum. Für Cigar Journal berichtet Manuel Fröhlich aus Kuba und anderen Anbauländern, wo er regelmässig unterwegs ist, und recherchiert Hintergrund-Themen rund um den Zigarrengenuss.


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