Wir sind eine Art Heiratsvermittlung“, meint Paresh Patel. „Wenn wir alles über eine Person herausgefunden haben – also was sie mag und was sie nicht mag, ihren Stil und ihre Präferenzen –, schaffen wir ein Traumpaar!“ Er spricht jedoch nicht von Liebespaaren, sondern von Zigarren.
Patel besitzt heute sechs Geschäfte unter dem Dachunternehmen Havana House, die er Stein für Stein an exklusiven Standorten in Südengland – Oxford, Bath, Hove und Windsor – aufgebaut hat. Nachdem er seine Leidenschaft für Zigarren im Jahr 2000 bei einer Reise nach Kuba entdeckt hatte, hat er sie zu seiner Lebensaufgabe gemacht. „Sie wissen ja, wie das ist“, erzählt er mir, während wir Kaffee in seinem Coffee-Shop im Innenhof gegenüber seines Geschäfts in Windsor trinken. „Wenn dich der Zigarren-Virus einmal erwischt hat, wirst du ihn nicht mehr los.“ Wie wahr! Patel begann als Partner bei einem Tabakhändler in Cheltenham, bevor er seine eigenen Wege ging. Inzwischen führt er mehrere Geschäfte und fungiert als Vorstand der Association of Independent Tobacco Specialists (AITS). Er ist stolz auf seine Laufbahn. „Ein Geschäft war nie genug. Ich bin stets auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten in guten Gegenden mit hoher Kundenfrequenz gewesen. Und es war mir immer ein Anliegen, etablierte Geschäfte zu übernehmen.“
Cardiff stellte eines der Hauptziele dar und ein seit 1870 in der walisischen Hauptstadt ansässiges Tabakgeschäft wechselte bald in den Havana House-Stall. Es ist seit jeher als The Bear Shop bekannt. „Weil sich ein Bär darin befindet“, antwortet Paresh auf meine Frage, woher der Name stammt. Ich unterbreche das Anschneiden der ringlosen Punch Double Corona, die er mir gegeben hat, und werfe ihm einen zweifelnden Blick zu. „Nein, kein Scherz“, meint er schmunzelnd. „Der Bär ist rund 200 Jahre alt und schon seit Ewigkeiten hier. Jeder in Cardiff kennt den Bear Shop und es kommen immer noch viele Leute zu uns, um ihren Kindern das Tier zu zeigen.“ Es handelt sich um einen ausgestopften Braunbären namens Bruno, der um 1900 hier hergebracht wurde.
Shops in Oxford und Bath folgten, wobei Patel auf ein Konzept setzt, das sich bewährt hat: „Wir beziehen ein Geschäft gleich nach dem Kauf, vermeiden, dass dieses auch nur einen Tag geschlossen ist und versuchen, dessen Wert durch Aufräumen und neue Bestände zu steigern“, erzählt er. „Ich habe nicht vor, alles über Nacht zu ändern. Diese Geschäfte gibt es schon lange – manchmal seit zig Jahren – und sie haben treue Stammkunden, die wir als neue Besitzer natürlich nicht abschrecken, sondern begeistern wollen. Zugleich möchten wir langsam eine neue Klientel aufbauen, indem wir andere interessante Linien vorstellen.“ Das bedeutet oft, dass Zigarren aus Kuba mit jenen aus der Neuen Welt konkurrieren, deren Anteile auf dem Markt enorm gestiegen sind. „Früher wurde dieser fast ausschließlich von kubanischen Zigarren bestimmt; jetzt ist es ein viel engeres Rennen“, informiert Patel. „Kunden, besonders junge Leute, hören von neuen Blends und Boutique- Zigarren und möchten diese probieren. Oxford ist z. B. ein junger Markt mit einem riesigen Pfeifenabsatz und mit vielen Studenten, die begeistert die Zigarrenwelt erkunden.“
Die Ironie seiner Funktion als Vorstand von AITS ist ihm durchaus bewusst. Denn als er ins Geschäft einstieg, waren Newcomer nicht gerade willkommen. „Einst wurde die Branche von einer Altherrenriege beherrscht. Wir haben uns bemüht, das zu ändern. Ich habe mir meine Position hart erarbeitet, und mit der Zeit passt man sich an. Aber die Zeiten haben sich geändert und wir begrüßen frisches Blut. Wir brauchen jede Unterstützung, die wir bekommen können.“
Es scheint, als müsste die Branche alle paar Jahre potenziell lebensbedrohliche Gesetzeshürden überwinden – Rauchverbote, Einheitsverpackungen, TPD2. Wie sieht die Zukunft aus? „Es wird stets Leute geben, die den Wert eines handwerklichen Luxusprodukts erkennen, das ihnen zu Ruhe, Gesellig- keit und Auszeit von ihrem hektischen Alltag verhilft“, sagt Patel. „Ich engagiere mich für unser Gewerbe – komme, was wolle! Wir müssen dafür sorgen, dass es schwungvoll, opportunistisch und optimistisch bleibt. Wenn uns das gelingt, dann werden Leute auch noch in 50 Jahren Zigarren genießen können, so wie wir das heute tun.“
Das seidige Deckblatt meiner Punch glimmt sanft im herbstlichen Sonnenschein, und ich hoffe, dass er recht hat. Es wäre ein Jammer, wenn Genussmenschen im Vereinigten Königreich nicht mehr so beeindruckende Beispiele der Zigarrenkunst wie dieses verkosten könnten. Insofern ist es gut, dass Leute wie Paresh Patel an vorderster Front für uns kämpfen.
Dieser Artikel wurde in der Cigar Journal Frühjahrs-Ausgabe 2018 veröffentlicht. Mehr