Das wahrlich coolste Rauchvergnügen meines Lebens hatte ich hier am Nordpol.“ Stephan Praetorius zeigt mir mit glänzenden Augen das Beweisfoto. Vor blaugrün leuchtenden Eisriesen sieht man ihn an Bord eines Eisbrechers, begleitet von den dampfenden Schwaden seiner geliebten Vegas Robaina. „Die Vegas Robaina Famosos entdeckte ich für mich bei einer meiner zahlreichen Reisen auf der Tabakinsel“, verrät mir der Chefmanager, der Habanos Nordic AB seit 2003 auf einem erfolgreichen Kurs hält.
Wir sitzen am frühen Vormittag im Headquarter des Unternehmens, das sich in einem Vorort von Göteborg angesiedelt hat. Der exklusive Distributeur kubanischer Zigarren für Nordeuropa beschäftigt 13 Mitarbeiter.
„Hier in unserer Lagerhalle haben wir zweifellos den bestgefüllten Humidor von Skandinavien. Unseren Kunden bieten wir rund 135 Vitolas an, das ist fast das gesamte Habanos-Sortiment“, betont Praetorius. „Unser Markt erstreckt sich über 4200 Kilometer – von Grönland über Island, Dänemark und Schweden bis Norwegen, Finnland und weiter zu den baltischen Staaten.“ Stephan Praetorius, ehemals Manager bei Häagen-Dazs, braucht angesichts des strengen Reglements in seinem kleinen, feinen Imperium viel Geduld: „Die acht Länder unseres Geschäftsgebietes haben eigene Währungen und spezifische Steuergesetze.
In Finnland und Island gilt ein absolutes Verbot für Tabak-Promotion. Wir haben ein kunterbuntes Potpourri an Warnhinweisen zu managen, bis hin zu Schockbildern für Dänemark. Das ist mühsam, deshalb rede ich lieber über die neuen Marktnischen im Baltikum. Dort sind unsere drei Casas del Habano bestens etabliert. Anfang dieses Jahres eröffneten wir eine Niederlassung samt Lager in Estland.
In Lettland und Litauen arbeiten wir mit Sub-Distributeuren zusammen.“ Praetorius bilanziert: „Unsere Wachstumsrate in Scandinavien beläuft sich im Zeitraum zwischen 2003 und 2013 auf stolze 37 Prozent.“
Im Lederwippsessel seines Büros zupft Praetorius seine edle Krawatte im Cohiba-Design zurecht und konstatiert: „Wir verkaufen nicht nur exzellente Tabakprodukte, sondern auch Lifestyle.“ Habanos Nordic AB agiert in einer der abgelegensten Regionen unseres Planeten mit beachtlichem Erfolg, denn die Wissenschafter im Kampf gegen die drohende Polschmelze freuen sich ebenso regelmäßig auf eine Habano wie mancher NATO-Pilot auf der Grönland-Basis und die Kreuzfahrttouristen, die während der zweimonatigen Sommersaison Grönland bevölkern.
Im Lagerhaus des Unternehmens fasziniert mich ein drehbarer Mini-Humidor aus Plexiglas, dessen Design einer nostalgischen Schiffsuhr nachempfunden ist. „Dieses vertikale, platzsparende Modell ist für den ,Heiligen Gral‘ der Kassen bestimmt“, erklärt Praetorius. „In Supermärkten, Tankstellen und kleinen Tabakshops verkaufen sich Habanos in Tubos besonders gut. Wegen der strikten Werbeverbote sind die Humidore transparent. So hat der Kunde das Angebot attraktiv im Blick.“
Angesichts der laut tuckernden Automaten in der Lagerhalle, die eine beeindruckende Vielfalt an Etiketten ausspucken, wird die ganze Problematik unterschiedlicher Gesetze im Verbreitungsgebiet von Habanos Nordic deutlich. Mit Leiharbeitern bewältigt Praetorius die neueste Herausforderung: das Aufkleben von Gesundheitswarnungen per Hand. Seit dem Jahr 2013 müssen in mehreren Ländern Skandinaviens auch auf Tubos Warnhinweise kleben. „In Schweden machen wir 39 Prozent unseres Umsatzes mit Zigarren in Alutuben. Zu unserem Leidwesen gibt es keine Maschine, die uns diese Arbeit abnimmt.“
Das wahrlich coolste Rauchvergnügen meines Lebens hatte ich am Nordpol.
Dass gefälschte Habanos für den nordischen Markt von marginaler Bedeutung sind, vermittelt mir Praetorius, als wir vor einer Maschine stehen, die jeder Kiste einen Sicherheitscode verpasst, exakt verlinkt mit der Rechnungsnummer. „Damit wird Fälschern ihr Handwerk schwerer gemacht. Zudem haben wir beste Kontakte zum Zoll. Bei Vorfällen, die vor allem das Baltikum betreffen, werden wir umgehend kontaktiert und ziehen falsche Ware aus dem Verkehr.“ Dann lädt mich Praetorius in die Coffee Lounge der Firmenzentrale ein, die der Design-Hochburg Skandinavien alle Ehre macht. Dort überrascht eine imposante Zigarren-Säule, gestaltet im gelb-schwarzen Dekor der Cohiba.
In keiner Habanos-Repräsentanz zwischen Hongkong und Peru habe ich je ein so apart gestyltes Corporate Identity gesehen. Als sich Stephan Praetorius mit seinen Mitarbeiterinnen im Konferenzzimmer einfindet, um unter einer Wandskulptur mit den legendären Schwertern aus dem Montecristo-Emblem ein Foto zu schießen, ist der Gesamteindruck perfekt: bei Habanos Nordic ist Ästhethik ein Gesamtkonzept.
Gentlemen’s Club
Auf die Frage nach seiner größten Herausforderung spricht Praetorius über sein Lieblingsthema, die Zigarrenkultur Skandinaviens, die es weiter zu entwickeln gelte: „Dabei denke ich vor allem an Clubs in Großstädten, für die wir Tastings und Events organisieren. In Göteborg organisiert The Cigar Society mit uns alljährlich das Göteborgs Cigarrfestival.
Chris Solomou von unserem reputiertesten Fachhändler Mellgren’s ist dort aktiv.“ Der Habanos Specialist bietet auf 260 Quadratmetern einen Walk-in-Humidor mit rund 15.000 Zigarren nebst Luxus-Lounge für 30 Personen. Das Traditionsgeschäft aus dem Jahr 1823 ist bestens im Geschäft, weil es neben Pfeifentabaken auch ein landesweites Verkaufsmonopol für Padrón-Zigarren aus Nicaragua hat. „Wir sind froh über Fachgeschäfte wie Brobergs in Göteborg, die als Davidoff-Depositär immer mehr Habanos in ihrem Sortiment verkaufen. In anderen Shops werden Kaffee und Schokolade höchster Qualität zusätzlich zu Habanos angeboten, um die Geschäftsbilanz in Balance zu halten.“
Wir verkaufen nicht nur exzellente Tabakprodukte, sondern auch Lifestyle.
Praetorius betont weiter die Wichtigkeit traditioneller Gentlemen’s Clubs. „Diese pflegen meist einen stilvollen Cigar Salon wie der reputierte KC Kirjaclub Helsinki.“ Dann bringt der Chefmanager von Habanos Nordic das eigentliche Problem auf den Punkt: „In unserem Verbreitungsgebiet kann ich nur etwa zehn Adressen nennen, wo man in öffentlichen Lounges komfortabel rauchen kann.“ Das Verbot von Alkohol-Ausschank sei ein Bremsfaktor. „Die dadurch entgangenen Einnahmen in Kombination mit horrenden Mieten in City-Lage haben auch unserer einstigen Casa del Habano in Göteborg den Garaus gemacht.“
Besonders gefreut hat sich Stephan Praetorius über die Neueröffnung des Hotell Havanna. Denn das bietet gleich zwei Cigar Lounges und ist an einer schönen Strandbucht gelegen, eine halbe Stunde von Göteborg entfernt. Als wir dort auf der Panoramaterrasse eine Punch Northern Lights genießen, – die Edición Regional 2009, erzählt Stephan Praetorius bei dieser Petit Robusto noch von einem beeindruckenden Kuba-Erlebnis: dem sportlichen Ringen um Leben und Tod mit einem 100 Kilogramm schweren Blauen Marlin, den er in der Marina Tarará vor den Toren Havannas an der Angel hatte.
„Ich rang eineinhalb Stunden mit einem Fischmonstrum, das sich vor mir in gewaltiger Energie aufbäumte“, erinnert sich Praetorius. Dann sei es ihm geglückt, den erlegten Raubfisch in den Hafen zu schleppen. „Da erschienen mir all die bürokratischen Hürden in meinem nordischen Habanos-Imperium wie administrative Scheingefechte, und ich kehrte wie neu geboren nach Göteborg zurück.“
Information:
Mellgren’s
www.mellgrens.seKC Kirjaclub Helsinki
www.kirjaclub.fi
Dieser Artikel wurde in der Cigar Journal Sommer-Ausgabe 2014 veröffentlicht. Mehr