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Terroir: Welche Faktoren beeinflussen den Geschmack des Tabaks?

Viel Eisen im Boden führt zu viel Würze im Tabak, das Verhältnis von Calcium zu Magnesium bestimmt dessen Süße – ein entscheidendes Kriterium für den Geschmack einer Zigarre ist daher immer der Faktor Terroir. Manuel Fröhlich spricht mit Davidoff-Chefblender Hendrik Kelner über chemische Elemente, die das Aroma des Tabaks maßgeblich beeinflussen.

 

Hoyo de Monterrey ist der Name einer Tabakplantage in Kuba: Sie liegt im Tabakanbaugebiet San Juan y Martínez. Der Spanier José Gener übernahm diesen Namen – Hoyo de Monterrey – ab dem Jahr 1865 für eine Zigarrenlinie. Diese Marke mit einem lokalen Bezug zu einer Farm wählten die kubanischen Zigarrenexperten vor einem Jahr für eine besondere Neuheit aus: Für die Zigarre Hoyo de Monterrey Le Hoyo San Juan legte die Habanos S.A. zum ersten Mal die Herkunft der Tabake offen. Die Seco- und Volado-Blätter des Blends stammen ausschließlich aus San Juan y Martínez, der alten Heimat dieser traditionsreichen Linie.

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Photo: Manuel Fröhlich

Die Zigarrengenießer erhalten damit die Gelegenheit, die geschmacklichen Eigenschaften von Tabaken aus diesem besonderen Anbaugebiet kennen zu lernen. Die Vielfalt des Spektrums, welches bei einer Zigarre den Geschmack beeinflusst, wurde in diesem Fall bewusst um einen Faktor erweitert: das Terroir.

Der Begriff Terroir stammt aus Frankreich (franz. „Gegend“) und findet im Agrarbereich, insbesondere im Weinbau, Verwendung. Er beschreibt die naturgegebenen Faktoren einer Anbaufläche. Dazu zählen die Bodenbeschaffenheit, das Mikroklima und die Geologie. Auch das Gelände kann ein wichtiger Faktor sein. Ein nahes Gebirge kann eine Anbaufläche zum Beispiel vor Wind schützen oder ein Fluss transportiert Sedimente zum Ackerland. Kein naturgegebener Faktor und damit auch nicht Teil des Terroir-Begriffs ist der Mensch, der die Anbaufläche mit unterschiedlichen Techniken bewirtschaftet. Die grundlegende Bedeutung des Terroirs für den Geschmack der Zigarren ist in der Tabakwelt unumstritten.

Die kubanische Revolution stieß ungeplant ein großangelegtes Terroir-Experiment an. Mit dem Exodus der Tabakelite im Zuge der Umwälzungen fand auch Saatgut aus Kuba den Weg in die Dominikanische Republik, nach Nicaragua oder Honduras. Diese „Cuban Seed“-Tabake werden noch heute von vielen Herstellern verarbeitet. Vom geschmacklichen Ergebnis dieser Entwurzelung kann sich jeder Zigarrengenießer ein Bild machen: Das kubanische Saatgut wächst auch in anderen karibischen Ländern zu kraftvoll würzigem Tabak heran, der sich jedoch vom Geschmack des ursprünglichen Tabaks, der auf der fruchtbaren roten Erde der Region Vuelta Abajo gedeiht, deutlich unterscheidet.

Viel Eisen im Boden führt zu viel Würze im Tabak.

Die Anpflanzung des kubanischen Saatguts außerhalb Kubas gibt wichtige Hinweise über die Auswirkungen des Terroirs auf den Geschmack. Da jedoch zusätzliche Faktoren wie Wetter, die Blattstufe oder die Weiterverarbeitung der Blätter den Geschmack des fertigen Produkts beeinflussen, können daraus nur allgemeine Schlüsse gezogen werden. Um fundierte Aussagen zum Einfluss des Terroirs auf den Geschmack zu treffen, braucht es eine Untersuchung, in der nur die Terroir-Herkunft gezielt variiert wird, während alle anderen Einflussfaktoren konstant gehalten werden.

Diese idealen Bedingungen bot uns die Firma Davidoff an. Chefblender Hendrik Kelner ließ für uns drei Zigarren mit Tabaken aus drei unterschiedlichen Anbauregionen im Cibao-Tal in der Dominikanischen Republik rollen. Alle Zigarren wurden aus Tabaken des Saatguts San Vicente gerollt, wobei ausschließlich Seco-Tabake der mittleren Blattstufe „centro fino“ ausgewählt wurden. Die Tabake aller drei Anbauregionen stammten aus demselben Erntejahr und wurden identisch fermentiert. Auf diese Weise wurde das Terroir als Einflussfaktor isoliert – alle anderen Faktoren änderten sich nicht.

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Photo: Manuel Fröhlich

Beim Testen der drei Endprodukte fällt zuerst auf: Die Zigarren unterscheiden sich deutlich in der Stärke. Hendrik Kelner erklärt warum:

„Der Anteil des organischen Materials bestimmt die Stärke. Je mehr organisches Material im Boden enthalten ist, um so mehr Stickstoff gelangt in die Pflanze. Stickstoff ist eine Basis von Nikotin und Nikotin bestimmt die Stärke des Tabaks.“

Das organische Material ist jedoch nur eines von sieben Elementen, die Davidoff systematisch erfasst und analysiert. Generell verraten Nährwerte im Boden dem Experten viel über den Geschmack des Tabaks. Das Verhältnis von Calcium zu Magnesium bestimmt beispielsweise, wieviel Süße der Tabak enthält. Je höher der Ca/Mg-Wert ausfällt, umso süßer der Tabak. Auch der Eisengehalt im Boden hat geschmackliche Auswirkungen, wie die Testzigarre aus dem Anbaugebiet Santiago Rodriguez (Zigarre 3) zeigt. Im Vergleich mit Jicomé (Zigarre 2) und Damajagua (Zigarre 1) enthält diese mehr als das Zehnfache des Eisengehalts. Der Tabak entwickelt eine gewisse Schärfe, es kribbelt auf der Zunge. „Viel Eisen im Boden führt zu viel Würze im Tabak“, bestätigt Hendrik Kelner diese Beobachtung. Den hohen Eisengehalt von Santiago Rodriguez nutzt Davidoff gezielt für die Serie „Millenium Blend“. Der würzige Charakter dieser Zigarrenlinie hat hier ihren Ursprung.

Einen hohen Eisengehalt des Bodens erkennt der Experte auch an der roten Farbe der Erde. Für die Analyse des kubanischen Tabakanbaugebiets Vuelta Abajo braucht Hendrik Kelner deshalb keine Bodenproben. Der Eisengehalt ist in Kuba hoch, was wiederum mit einem niedrigen pH-Wert korrespondiert. Und je niedriger der pH-Wert, umso länger der Nachgeschmack des Tabaks, wie der Davidoff-Experte erklärt. Der niedrige pH-Wert ist einer der Schlüssel für den einzigartigen Geschmack des Tabaks, der auf kubanischem Boden gedeiht. Auch in Kuba werden die Eigenschaften der verschiedenen Anbauzonen untersucht.

Nikotin bestimmt die Stärke
des Tabaks.

Das staatliche Tabakforschungsinstitut in San Antonio de los Baños legt den Forschungsfokus auf die Analyse des getrockneten Tabaks, der in den verschiedenen Subzonen der Vuelta Abajo-Region wächst. Gezeigt werden kann beispielsweise, dass Tabak aus San Luis deutlich mehr Stickstoff und in der Folge mehr Nikotin enthält als jener der Anbauzone San Juan y Martínez. Für die milde Habanos-Marke Hoyo de Monterrey ist deshalb das Anbaugebiet San Juan die erste Wahl. Unterschiede bestehen auch beim Anteil der organischen Säuren, die je nach Blattstufe um bis zu 50 Prozent variieren. Im Rahmen eines Blindtastings mit Experten und mit Mitgliedern des kubanischen Tastingpanels „Cata General“, das im Rahmen des Festival del Habano 2014 stattfand, wurden die Konsequenzen für den Geschmack anhand von zwei Zigarren der Anbaugebiete San Juan und San Luis diskutiert.

Die Zigarre aus dem Anbaugebiet San Juan entwickelte eine pfeffrige Note und ziemlich viel Süße. Diese ist typisch für Tabake dieser Region und auch in der Hoyo de Monterrey Le Hoyo de San Juan wiederzufinden. Die Zigarre aus San Luís schmeckte im Vergleich weniger voluminös und vegetaler.

Sowohl die Degustation in der Dominikanischen Republik als auch jene in Kuba zeigen eindrücklich: Der Einfluss des Terroirs auf den Geschmack des Tabaks ist enorm. Wer mit einer fruchtbaren Erde gesegnet ist, darf sich über Tabake von hoher Qualität freuen. Durch ein gezieltes Düngen des Bodens ist es möglich, der Natur etwas nachzuhelfen. Wichtig ist aber, dass der Tabakbauer seinen Boden kennt und genau jenes Saatgut findet, das am besten zu seinem Terroir passt.

Information:

three tobacco production areas dom. rep.

Photo: Wolfgang Hametner

 

Dieser Artikel wurde in der Cigar Journal Frühjahrs-Ausgabe 2015 veröffentlicht. Mehr

Manuel Fröhlich aus der Schweiz gründete mit 18 Jahren einen Online-Handelsgeschäft für Zigarren. Während seines Studiums an der Universität St. Gallen baute er das Geschäft aus und eröffnete schliesslich 2014 in Zürich das Manuel’s, ein karibisches Genussmittelgeschäft für Zigarren, Kaffee und Rum. Für Cigar Journal berichtet Manuel Fröhlich aus Kuba und anderen Anbauländern, wo er regelmässig unterwegs ist, und recherchiert Hintergrund-Themen rund um den Zigarrengenuss.


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