lorsch tobacco field production

Tabak ist Kulturgut! 1250 Jahre Tabakanbau in Lorsch.

Im Jahre 764 gründeten Benediktiner-Mönche ein Kloster und schufen damit die Basis für die Stadt Lorsch. Es folgte eine glanzvolle Zeit unter den karolingischen Königen und Kaisern, wovon die karolingische Torhalle noch Zeugnis ablegt. Heute ist die südhessische Stadt im Kreis Bergstraße Unesco-Weltkulturerbe und feiert das ganze Jahr über nicht nur die 1250 Jahre alte Geschichte, sondern auch 300 Jahre Tabakanbau.

 

Die Tabakpflanze spielte nicht nur eine wirtschaftliche Rolle, sondern prägte auch zahlreiche dörfliche Rituale. Um dies zu würdigen, pachtete die Stadt in Vorbereitung auf das Jubiläumsjahr 2014 bereits vorher ein 800 Quadratmeter großes Feld, um dort wieder Tabak anzubauen und diesen dann – verarbeitet zur Zigarre – im Jubiläumsjahr zu präsentieren.

Das Feld liegt übrigens genau vor der letzten verbliebenen Tabakscheune, die heute ein Industriedenkmal ist. Die Wahl fiel auf den klassischen Geudersheimer Tabak. Dabei störten sich die Organisatoren nicht an dem schlechten Image, das dem Tabak weit verbreitet anhaftet. Wichtig war, den sozialen, gesellschaftlichen und ökonomischen Faktor zu beleuchten, den diese Pflanze in der Region über lange Zeit hatte. An der Geschichte Lorschs und dem Tabak lässt sich außerdem nachvollziehen, wie sich die Agrargesellschaft langsam in eine Industriegesellschaft verwandelte. Aspekte, die der Besucher sich im größten deutschen Tabakmuseum näher anschauen kann.

30 freiwillige Helfer begleiteten das Projekt vom Samen bis zur Ernte. Projektleiter Bernhard Stroick und Thomas Schumacher koordinierten das Vorhaben. „Rauchen tut von uns fast keiner“, lächelt Stroick, „es geht um ein Stück lebendige Kultur und regionales Brauchtum.“ Und Kulturamtsleiterin Gabi Dewald fügt hinzu: „Wenn man als Tabakpflanzer ein Jahr lang den Tabak vom winzigen Samen bis zum Bandelier betreut hat und wie er in der Scheune zum Trocknen aufgehängt wird, weiß man, wie prägend dieser Anbau für das Leben einer Dorfgemeinschaft einst gewesen ist.“

Besonders freute sich Gabi Dewald über eine Einladung des Club de Fumadores aus Berlin, den der Zigarrenfachhändler Dr. Maximilian Herzog vor Jahren ins Leben gerufen hat. Das Ziel: Die Zigarre soll nationenübergreifend zum Unesco-Kulturerbe werden. Und so durfte die Lorscherin Gabi Dewald während eines parlamentarischen Abends im edlen Hotel Adlon die Botschafter von Kuba, Brasilien, Nicaragua und Vertreter der Unesco kennenlernen.

Im Mai dieses Jahres war es dann soweit. Das Tabak-Team rund um Bernhard Stroick und Thomas Schumacher freute sich nach einem Jahr intensiver Arbeit im Feld und bei der Fermentierung über die „Lorsa Brasil“: Eine Corona, die zu 50 Prozent den angebauten Geudersheimer Tabak enthält. Naturgemäß wurden auch andere Tabake verwendet, aber dieser Anteil Lorscher Tabaks war laut Fachleuten sehr hoch und sprach für die Qualität des selbst angebauten Tabaks.

Der Name „Lorsa Brasil“ hat Tradition, denn diese Zigarrenmarke wurde früher sehr erfolgreich in Lorsch produziert. Die Auflage von 3000 Kisten dürfte mittlerweile komplett ausverkauft sein. Den Höhepunkt des Jahres bildet Mitte September die Lorscher Tabak-Kerb, ein Volksfest, das früher lange den Endpunkt der Tabakernte bildete. Tabakball mit Schirmherr Heinrich Villiger,Tabakflohmarkt,Tabakausstellungen, alte Fotografien und Filme vom Tabakanbau und ein „Zigarrenkontor“ mit Rauchsalon lassen die alte Tradition wieder aufleben.

 

Dieser Artikel wurde im Country Report Deutschland 2014 veröffentlicht. Mehr

Frank Hidien war von 1997 bis 2005 Chefredakteur des deutschen Magazins Pipe & Cigar und ist seitdem als Freier Journalist tätig: Für Cigar Journal als Deutschland-Korrespondent, für andere Publikationen über Themen aus der Gastronomie.


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