Ein kleines, unscheinbares Geschäft in Wien. Wenn man nicht gerade danach sucht, kann es durchaus passieren, dass man daran vorbeiläuft. Passionados, die hier Ihre Zigarren kaufen tun das gezielt. Niemand schneit hier zufällig rein. Und nicht nur Wiener frequentieren den Cigarstore von Ercan Hazar, seine Kunden verteilen sich quer über den Globus über China, Japan, Russland, den arabischen Raum, die Türkei, Ungarn, Deutschland und dem Rest Europas. Am 2. März 2018 wurde Ercan Hazar für seine Arbeit am Zigarrenmarkt in Österreich der „Premio Habano del Ano“ in der Kategorie „Negocios“ in Havanna verliehen. Dieser Preis kann in der Welt der Zigarre nur mit einem Oscar in der Welt des Films verglichen werden. Wir wollten wissen, wie es Ercan Hazar ein Jahr nach der Auszeichnung geht, wie es ihm bis dahin ergangen ist, was sich geändert hat und was vielleicht die Zukunft bringen wird. An diesem Nachmittag treffen wir Ercan Hazar im Feinkostgeschäft und Café direkt neben seinem Geschäft. Der Kaffee wird geordert, das Notizbuch gezückt und am Recorder die Aufnahmetaste gedrückt.
CJ: Wie empfindest Du Deine Arbeit als Fachhändler in Österreich?
EH: Die Tatsache, dass ich einen Migrationshintergrund habe, macht es nicht leicht. Ich habe seit 1996 die österreichische Staatsbürgerschaft. Ich fühle mich als Österreicher, aber leider nehmen mich die Österreicher nicht immer so wahr. Ich bemühe mich sehr, mich hier anzupassen, ich erfülle sicherlich 99 Prozent der Kriterien (lacht).
CJ: Vor einem Jahr wurdest Du mit dem „Premio Habano del Ano“ in der Kategorie „Negocios“ ausgezeichnet. Was hat sich seither für dich verändert?
EH: Eigentlich gar nichts. Ich versuche nur, mit meiner Arbeit meinen Anteil für die Gesellschaft zu leisten. Ich fokussiere mich auf mein eigenes Geschäft. International wurde die Auszeichnung sehr wohl bemerkt und gewürdigt. Hier in Österreich hat das einen gewissen Beigeschmack. Mit Ausnahme des Cigar Journals hat eigentlich niemand über die Vergabe des Premio Habano berichtet, obwohl die österreichische Botschafterin eine große Presseaussendung an die Medienvertreter gemacht hat. Ich habe in Kuba dort auf der Bühne Österreich vertreten, ich habe den Preis für meine Arbeit in diesem Land bekommen. Das war für mich eine große Belohnung, auch wenn man in Österreich nicht viel davon mitbekommen hat.
CJ: Hast du in diesem einen Jahr Neid oder Missgunst erlebt?
EH: Ich denke es gibt immer wieder einen gewissen „Futterneid“. In Österreich ist das deshalb erstaunlich, weil es hier sowohl Gebietsschutz, als auch ein Monopol gibt.
CJ: Hast Du das Gefühl, dass du eine Art „Auftrag hast? Wenn ja, welcher wäre das?
EH: Es ist die Leidenschaft für den Tabak. Ich gebe meine Bestes, in Österreich eine verbesserte Genussatmosphäre zu schaffen. Ich bemühe mich überall die Menschen zusammen zu bringen. Wie in einem Club, wo man sein eigenes Plätzchen finden kann um eine Zigarre zu genießen. Was ich den Menschen zur Verfügung stellen möchte, ist die Möglichkeit, das Rauchen einer Zigarre zu zelebrieren. Es gibt in unmittelbarer Nähe zu meinem Geschäft einige Zigarren-Clubs und ich leiste – so gut ich kann – meinen Beitrag, die verschiedenen Clubs mit Zigarrenrauchern zusammenzubringen. Jeder Club hat seine Daseinsberechtigung. Ich bin an keinem Club in Österreich beteiligt, vernetzte aber mit Leidenschaft die Zigarrenliebhabern der verschiedenen Clubs. Die Unterstützung von Raucherclubs wird immer wichtiger. Irgendwann wird es in Österreich ähnlich wie im Rest von Europa ein Rauchverbot in der Gastronomie geben, deshalb ist es besonders wichtig bereits jetzt entsprechende Räume zu schaffen, in denen man seine Zigarre entspannt genießen kann. Wir wollen ja niemanden stören, es geht nur darum genießen zu können.
CJ: Ich geh mal davon aus, dass du sehr viel internationale Kundschaft hast?
EH: Ich lebe zum großen Teil von den internationalen Zigarrenliebhabern. Unser Geschäft ist nicht in einer Einkaufsstraße, wir haben vielleicht 10% Laufkundschaft. 90% sind Stammkunden, von denen 70% aus dem Ausland kommen.
CJ: Warum kommen internationale Kunden zu dir? Was unterscheidet dich von allen anderen Fachhändlern in der Welt?
EH: Ich denke, es liegt an meiner Lagerqualität, die viele einfach schätzen. Wie wir – meine Frau, meine Tochter und ich – mit den Zigarren umgehen, ich denke, dass diese Leidenschaft auch von meinen Kunden gespürt wird. Was die Pflege der Zigarren angeht, geben wir unser Maximum. Ich habe mein ganzes Leben der Zigarre verschrieben. Ich nehme mir nur einen freien Tag in der Woche und das ist der Sonntag. Ich verbringe mindestens vier Stunden in meinem Lager, dort schaue ich, dass es den Zigarren gut geht.
CJ: Woher kommt diese Leidenschaft?
EH: Meine Großeltern waren Tabakbauern. Sie haben in der Türkei Tabak für das dortige Monopol produziert. Die Bauern mussten dorthin verkaufen. Als ich ein kleines Kind war, war der Großvater so sorgsam im Umgang mit den Tabakpflanzen. Er meinte, man muss sehr viel Liebe in den Tabak investieren, damit er sein volles Potential entfaltet. Er meinte immer: „Behandle den Tabak so gut wie deine Frau!“ Seine Gründlichkeit und die Behutsamkeit bei der Fermentation hat mich tief beeindruckt. Meine Großeltern haben die Fermentation selbst gemacht. Das war die schwierigste Arbeit. Da habe ich gelernt, wie heikel der Tabak ist. Selbst die eigenen Gefühle können sich auf den Tabak auswirken. Egal, wie gut die Ernte ist, wenn man schlecht drauf ist, kann bei der Fermentation alles schiefgehen. Während meines Architekturstudium in Istanbul habe ich dann bei einem Straßenverkäufer eine Zigarre gekauft. Eine Montecristo No.4, meine erste Zigarre. Das war ein Moment den ich nie wieder vergessen werde. Ich saß direkt am Bosporus und habe meine Zigarre genossen und eine andere Art des Genusses erlebt, fast so intensiv wie eine neue Liebe. Das hat mich fasziniert. Damals konnte ich mir mit meinem bescheidenen studentischen Budget alle drei Monaten eine Zigarre leisten. Außerdem konnte ich damals diese Montecristo nie wieder finden. Diese Zigarre hab ich nie vergessen. Als ich nach Österreich gekommen bin, war meine erste Erfahrung die „Großglockner“. Das war ein ganz anderes Kaliber, genau wie die erste Virginia. Das war eine ganz andere Erfahrung des Tabakgenusses, sehr intensiv. Es war damals – ganz ehrlich – eher abstoßend für mich. Jetzt rauche ich ab und zu eine Virginia, diese Form des Genusses benötigt eine gewisse Reife. Vor allem muss man die Rauchkultur dahinter verstehen. Leider gibt es die Regie-Virginia der Austria-Tabak nicht mehr, die war wirklich ein Hammer, ein unvergleichlicher Geschmack. Letztes Jahr war es eine Freude zu sehen, dass die Familie Rauch eine Retro-Version dieser Form der Rauchkultur produziert und auf den Markt gebracht hat. Es ist ein toller Start, wieder Tabak in Österreich zu produzieren, eine Tradition, die leider beinah verloren ging. Natürlich ist es nicht einfach, in Österreich Longfiller zu produzieren. Die ganze Arbeit – es ist eigentlich ein Wunder, dass sich die Produktion in Österreich überhaupt lohnt. Eine Zigarre der Premiumklasse in Österreich zu produzieren, zu einem Preis unter 30 Euro ist meiner Meinung nach nicht möglich. Man muss solche Projekte unterstützen. Ich lerne jeden Tag was Neues. Aber ich glaube, ich schweife ab (lacht).
CJ: Deine Kunden schätzen Dich als Fachmann für kubanische Zigarren. Hast du das Gefühl, dass die Qualität der kubanischen Zigarren in letzter Zeit nachgelassen hat?
EH: Ganz ehrlich: Einige der Marken haben sicher unter den klimatischen Veränderungen etwas an Qualität eingebüßt. Das zu sagen ist für mich nicht einfach, denn ich fühle mich in Kuba wie zu Hause. Die Kubaner sind sehr feinfühlige Menschen, sie nehmen mich wie einen Kubaner war. Mir liegen diese Menschen sehr am Herzen und ich habe kein Interesse daran diese herzlichen Menschen zu verletzen. Viele Kubaner haben mich umarmt, als sie mich zum ersten Mal kennen gelernt haben. Das ist eine ganz andere Ebene der Kommunikation. Ich bin kein esoterischer Mensch, jedoch spüre ich eine starke Verbundenheit zu den Menschen dort. Wenn man diese Menschen kennt, geht man mit dem Produkt ganz anders um. Darum kann ich bei kubanischen Zigarren nicht ganz neutral bleiben, mich verbindet vieles mit Kuba.
CJ: Bist du der Meinung, dass es mehr Fachhändler in Österreich geben sollte?
EH: Ich freue mich, wenn sich in Österreich mehr Fachhändler etablieren. Mir wäre es am Liebsten, dass auf der gesamten Länge der Margaretenstraße nur Zigarren verkauft werden. Dann würden alle Passionadas und Passionados in diese Straße kommen und ich bin davon überzeugt, wir würden alle davon profitieren.
CJ: Glaubst du, das Vereine wie „Cigar Rights of Europe“ oder „Cigar Rights of Austria“ wichtig sind?
EH: Natürlich, Zigarren im Vergleich zu anderen Tabakerzeugnissen sind ein Nischenprodukt. Das hat sich sehr schön weiterentwickelt. Ich hoffe, das geht auch so weiter. Auch die Politik muss zwischen Sucht und Genuss unterscheiden, darum müssen Zigarren als Produkt anders behandelt werden. Solche Vereine werden stark benötigt, um für unser Recht auf Genuss einzutreten. CJ: Es gab – meines Wissens – bis dato nur eine Havanna als „Exclusiva Austria“. Ich habe gehört, dass dies auch auf dich und deine Familie zurück geht. Ist das so richtig?
EH: Es war zu einem Teil mein Verdienst, aber vor allem der Verdienst meiner Tochter. Sie war drei Monate in Kuba zur Ausbildung. Wir haben angefangen über eine Regional-Edition zu sprechen. Wie ich am Anfang gesagt habe, die Kubaner sind sehr emotional, sie haben sich damals sehr zu Herzen genommen, dass die Verträge mit Austria Tabak 1996 einseitig aufgekündigt wurden, deshalb gab es keine Edicion Regionales für Österreich. Es ist dem persönlichen Engagement meiner Tochter zu verdanken, die bei jedem Mittagessen mit Manuel Garcia – dem damaligen Geschäftsführer von Habanos S.A. – gesprochen hat. Sie hat mit Leib und Seele gekämpft und ihn letztendlich überzeugt, dass wir wenigstens einmal eine Edicion Regionales bekommen. Wir haben uns dann gemeinsam für die Juan Lopez entschieden, da es diese zum damaligen Zeitpunkt in Österreich noch nicht gab. Als meine Tochter dann 2010 ein Praktikum dort absolviert hat, hat man ihr gesagt: „Wir haben ein Geschenk für Dich und dein Land. Ihr bekommt die Edicion Regionales. Einmalig“. Das frische Produkt war noch nicht zu hundert Prozent überzeugend und trotzdem haben wir die Zigarren gut verkauft. In Österreich habe ich sicherlich die meisten verkauft, dafür habe ich auch die 1. Kiste von 2500 Kisten bekommen, das war eine große Ehre. Es hat vier Jahre gebraucht bis die Zigarre rund und vollkommen war, danach war eine riesige Nachfrage. Wir haben die meisten Kisten international verkauft.
CJ: Habt Ihr je wieder versucht eine Regional-Edition zu bekommen?
EH: Wir arbeiten seit drei Jahren daran, wieder eine Regionales zu bekommen, ich hoffe ich kann dieses Jahr entscheidende Überzeugungsarbeit leisten. Das ist eine Herzensangelegenheit von mir und meine Tochter wird wieder dabei helfen. Wenn wir Österreich wieder so ein Geschenk machen könnten, wäre das ein Traum.
CJ: Zum Schluss muss ich dich noch fragen: Was ist zur Zeit deine liebste nicht Kubanische Zigarre?
EH: Ich habe das Glück seit einiger Zeit im Tasting Panel vom Cigar Journal zu sein. Ich nehme das auch sehr ernst. Ich rauche also sehr viel und versuche soweit es möglich ist objektiv zu sein. Andere Mütter haben bekanntlich auch schöne Töchter. Eine besondere Erfahrung waren die Zigarren von LUJ. Die waren wirklich unerwartet gut. Ich habe damit nicht gerechnet. Ich nehme an, es handelt sich um eine kleine Manufaktur. Es ist auch hier die Leidenschaft, die man bei dieser Zigarre schmeckt und spürt.
Welch würdiges Schlusswort! Lieber Ercan, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!
Cigarstore
Margaretenstraße 42
1040 Wien