Interview mit Robert Caldwell: Fokus auf Europa

Der Mann, der die Zigarrenindustrie aufrüttelte, hat nun beschlossen, sich auf subtiles, zeitgemäßes Marketing mit Fokus auf den europäischen Markt zu konzentrieren. Wir trafen ihn diesen Sommer in Frankreich, wo inzwischen drei seiner Produkte vertrieben werden: the King is Dead, Long Live the King und Eastern Standard.

Sie haben den Fokus auf Europa gerichtet. Welche Vorteile versprechen Sie sich davon?

ROBERT CALDWELL: Ich habe mütterlicherseits nordische Wurzeln. Das Logo meiner Marke Eastern Standard zeigt das Bild eines bärtigen Mannes, für den ich einen Namen und eine Geschichte erfand: Hans Nielsen Lahkso aus Finnland, der, nachdem er Schiffbruch erleidet und andere Abenteuer erlebt, zuerst nach Kuba und dann in die Dominikanische Republik zieht. Außerdem denke ich mir, dass Konsumenten genug von enormen Größen und überwältigenden Blends haben. Meine Zigarren sind in bescheidenen Formaten erhältlich, und das steht im Einklang mit den europäischen Präferenzen, besonders jenen in den nordischen Ländern. Außerdem sind meine Zigarren nicht Teil des „Waffen, Motorräder und Tattoo“-Stils. Mein Marketing ist subtiler und ich glaube, europäische Kunden finden es deshalb einfacher, unsere Zigarren zu schätzen.“

Welche Länder waren Ihre ersten Zielgruppen?

Zuerst kam Schweden und das ist noch gar nicht so lange her. Ich traf den schwedischen Händler letztes Jahr in Dortmund. Danach starteten wir dort den Vertrieb und mussten nach nur sechs Wochen aufstocken. Dänemark, Norwegen, Belgien, Luxemburg und die Schweiz folgten. Seit letzten Sommer vermarkten wir unsere Zigarren auch in Mazedonien, Bulgarien, Albanien, im Kosovo, Russland, der Ukraine und Rumänien, und die Resonanz hat unsere Erwartungen bei weitem übertroffen. Selbst ohne Berücksichtigung von Deutschland, Frankreich und Spanien, wo wir eben erst begonnen haben, mache ich 20 Prozent meiner Umsätze in Europa. Ich unternahm alles, was notwendig war, um die Dinge richtig anzugehen. Dieses Jahr bin ich bereits fast jeden Monat nach Europa gereist.

Fanden Ihre Blends in den USA ein ähnliches Echo?


Es gibt ein paar kleine Unterschiede. Wenn man Eastern Standard, die leichteste meiner Zigarren, hernimmt, sind die in den USA verkauften Versionen mild bis mittelstark. Mit anderen Worten: eine Frühstückszigarre. In Norwegen gilt die gleiche Zigarre jedoch als ziemlich stark.

Haben Sie immer schon in der Zigarrenindustrie gearbeitet?

Ich begann vor acht oder neun Jahren, als ich für ein Unternehmen arbeitete, das Zigarren an Restaurants, Bars und Hotels verkaufte. Manche der Kunden wollten exklusive Zigarren, und so wandte ich mich hinsichtlich der Schaffung von speziellen Blends an ein paar Produzenten. Allmählich lernte ich, einen Geschmack für alles zu entwickeln und den Markt im Auge zu behalten.

Und was haben Sie in Bezug auf die Zigarrenherstellung gelernt?


Unabhängig vom sozialen Status trinkt man in den USA heute Craft-Bier, kauft exquisite Schokolade und Kaffee, der in kleinen Mengen geröstet wurde. Und diese Trends werden durch Mundpropaganda verbreitet: „Wenn Ihnen dieses Bier schmeckt, dann könnten Sie auch diese spezielle kleine Schokoladenmarke mögen.“ Meine Idee war es, meine Zigarren nach dem selben Prinzip zu entwickeln, also etwas zu schaffen, das klassisch und zeitgenössisch zugleich ist und nicht mit großen Firmen oder berühmten Familien in Verbindung steht. Ich glaube, dieser Ansatz ist subtiler als jeder andere, den es in den letzten 20 Jahren in der Branche gab.
Wo werden Ihre Zigarren gemacht?

In der Tabacalera Ventura in der Dominikanischen Republik. Die Familie Ventura arbeitet seit drei Jahrzehnten in der Zigarrenindustrie und Hausherr Willy Ventura war viele Jahre lang die rechte Hand von Zino Davidoff. Wir stellten sehr wohl ein Problem für sie dar: Sie produzierten etwa 300.000 Zigarren pro Jahr und wir bestellten 500.000 in den ersten sechs Monaten! Sie waren ein wenig unzeitgemäß, aber heute, nach der Expansion, haben sie drei Mal so viel Platz und machen 600.000 Zigarren pro Jahr für uns.

Dies ist offensichtlich das erste Interview, das Sie einem Magazin gegeben haben (Anm: Sommer 2016). Kaum zu glauben!


Stimmt aber. In den USA gibt es so viele Magazine, so viele Blogger. Die amerikanische Öffentlichkeit kennt meine Produkte, zumindest zu einem gewissen Grad. Wieso sollte ich mir das also antun? „Robert Caldwell war für eine Stellungnahme nicht erreichbar“ kann man auf vielen Websites lesen (lacht). Mit dem Cigar Journal sieht das anders aus. Ich weiß ja, dass es in Europa nicht viele Zigarrenpublikationen gibt und Ihre hochangesehen ist. Somit war es mir eine Ehre, Ihre Fragen zu beantworten.

Dieser Artikel wurde in der Cigar Journal Herbst-Ausgabe 2016 veröffentlicht. Mehr

Guillaume Tesson ist seit 1995 als Journalist tätig, und arbeitete von 2005 bis 2013 für das französische Zigarrenmagazin L’Amateur de Cigare als Reporter, Mitglied des Tasting-Komitees und schließlich als Chefredakteur der iPad-Version. Tesson publizierte die Bücher Cigares (Hachette Pratique) und Le Petit Larousse des Cigares (Larousse), und leitet eine Zigarren-Master-Class in Paris. Guillaume lebt in Paris und ist für das Cigar Journal stets am Puls der Zeit was die Entwicklungen rund um Zigarren in Frankreich betrifft.


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