Die Wiedergeburt der brasilianischen Zigarrenindustrie

Die nach Jorge Amados Roman Dona Flor e seus dois maridos (Dona Flor und ihre zwei Ehemänner) benannte Marke Dona Flor ist eine der meistverkauften in Brasilien

Die goldenen Jahre des brasilianischen Tabaks scheinen lange vorbei zu sein. Doch eine neue Generation von Zigarrenrauchern und die wachsende Nachfrage geben den größten Fabriken des Landes einen Grund, zu investieren und mit neuer Hoffnung in die Zukunft zu blicken. Brasilien spielte jahrhundertelang eine wichtige Rolle im weltweiten Tabakhandel. Der Bundesstaat Bahia war eine der ersten Regionen der Welt, in der Tabak in großem Ausmaß angebaut wurde. Die Bedeutung des Tabaks für die brasilianische Wirtschaft war so enorm, dass Tabak- und Kaffeepflanzen zu Kolonialzeiten und auch später, als die neue Republik gegründet wurde, im Wappen Brasiliens aufschienen. Im 20. Jahrhundert hatte das Land eine wachsende Zigarrenproduktion, doch nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Zigaretten immer populärer, und die Nachfrage nach Zigarren sank. Vorschriften, hohe Steuern und die Veränderung der Rauchgewohnheiten trugen wesentlich zum Rückgang des Marktes bei. Das führte dazu, dass viele Zigarrenmanufakturen von den 1970er-Jahren bis zum Ende des Jahrhunderts geschlossen wurden. Das nächste Jahrhundert brachte neue Hoffnung. Nach dem Zigarrenboom der Neunziger nahm die Produktion zu, neue Marken erschienen in den Regalen. Brasilien erlebte eine neue wirtschaftliche Phase, und die Menschen begannen, hochwertigere Produkte zu konsumieren. Das Land verzeichnete einen Anstieg beim Verkauf von Luxusartikeln. Auch Zigarren wurde wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Im Tabaksektor gab es eine Dichotomie zwischen steigender Nachfrage und Steuern sowie Beschränkungen, die von den Gesundheitsbehörden auferlegt wurden. Marken wie Angelina, Caravelas und Le Cigar konnten diesem neuen Trend nicht standhalten. Andere hingegen, darunter Dona Flor, Alonso Menendez und Dannemann, nutzten ihn und investierten in das Premiumzigarrengeschäft. Die 2007 geschaffene Marke Monte Pascoal wuchs ebenfalls. So hatte auch Renato Madeiro, Inhaber von Leite & Alves, diese Bewegung im Blick und erwarb Le Cigar. Eine wichtige Rolle spielte das Internet. Communities und Gruppen auf Facebook und in anderen sozialen Medien trugen dazu bei, Informationen über Zigarren und deren Konsum zu verbreiten. Nach einigen Verbesserungen konnte der brasilianische Tabak seinen guten Ruf zurückgewinnen und wurde bald bei Blends von Premiumzigarren verwendet, die in Nicaragua, Honduras und der Dominikanischen Republik hergestellt werden. Einige dieser Zigarren haben von Branchenexperten ausgezeichnete Bewertungen erhalten.
Seit 2010 sind die Zigarrengemeinschaft und Zigarrenhersteller in Brasilien stärker geworden. Das Interesse an Qualitätsprodukten wuchs weiter. Die brasilianischen Manufakturen stellten für neue Kunden einen „Einstieg“ dar, weil die heimischen Produkte leichter zugänglich waren als importierte Zigarren aus anderen Ländern. Aber sie mussten erst einmal als Qualitätsalternative für erfahrenere Raucher anerkannt werden.
2017 erwies sich als Wendepunkt und Lösung dafür. SindiTabaco aus Bahia, eine Organisation, die sich für die Interessen der Zigarrenhersteller Brasiliens einsetzt, gründete das Festival Origens. Dieses fördert die sogenannten vier „Cs“ von Bahia: Cigars, Chocolate, Coffee und Cachaça. Marcos Augusto Souza, Geschäftsführer von SindiTabaco, meint: „Das Konzept bestand darin, Kunden eine vollständige Erfahrung von einigen Produkten zu bieten, die nicht nur für den Bundesstaat Bahia stehen, sondern für ganz Brasilien.“

Die Marke Le Cigar wurde nach ihrer Übernahme durch Leite & Alves zu neuem Leben erweckt

Das Festival fördert den engen Kontakt zwischen Zigarrenherstellern und der neuen Generation von Konsumenten. Während des Events haben die Besucher die Chance, die Tabakfelder und Fabriken der vier wichtigsten Zigarrenproduzenten zu besichtigen: Dannemann, Menendez Amerino (Besitzer von Dona Flor und Alonso Menendez), Monte Pascoal und Leite & Alves (Eigentümer von Leite & Alves und Le Cigar). „Der große Vorteil des Festivals besteht darin, dass die Kunden mit unserer Struktur, den Feldern, der Fabrik, dem Master Blender und den Rollern in Kontakt kommen und es mit einer anderen Vorstellung über die Qualität unserer Zigarren verlassen“, sagt Lorenzo Orsi, Inhaber von Monte Pascoal. Die Teilnehmerzahl stieg von rund 25 beim ersten Festival auf etwa 100 bei den nächsten beiden Ausgaben. Die Hersteller investierten in Qualität und neue Linien, in den letzten zwei Jahren nutzten alle Marken die Veranstaltung, um reguläre Produktionen oder Limited Editions zu präsentieren. „Das Festival fand zu einem optimalen Zeitpunkt statt, da die Zahl der Konsumenten wuchs und diese neue Produkte verlangten“, meint Renato Madeiro, dessen Fabrik die Marken Leite & Alves und Le Cigar produziert.
Das Ergebnis ist, dass brasilianische Zigarren auf dem Markt an Wahrnehmung gewonnen haben und heimische Produkte Jahr für Jahr mehr Platz in den Regalen erhalten. Für Geraldo Menezes, Managing Director bei Dannemann, erlebt das Land in Sachen Zigarren einen besonderen Moment. „Die Dannemann-Zigarrenproduktion verzeichnet seit 2016 eine beeindruckende Wachstumsrate von etwa 20 Prozent pro Jahr“,fügt er hinzu. Das letzte Jahrzehnt stellte für die Branche tatsächlich etwas Besonderes dar. Nicht nur in der Metropole São Paulo, in der die meisten Zigarrenraucher leben, sondern auch in zahlreichen anderen Städten des Landes werden jährlich viele neue Geschäfte eröffnet.

Neben diesem Wachstum haben viele Produzenten auch den internationalen Markt im Visier. Menendez Amerino, Hersteller von Dona Flor, plant, sich auf Exporte in die USA und nach Europa zu konzentrieren. „Früher hatten wir ein gutes Marktvolumen in Amerika, aber wegen Vertriebsproblemen mussten wir vor einigen Jahren einen Schritt zurück machen. Wir treten nun wieder in diesen Markt ein und werden uns auch auf Europa konzentrieren, denn die Steuern auf brasilianische Zigarren könnten sinken, da ein neues Handelsabkommen zwischen Brasilien und der Europäischen Union bevorsteht“, informiert Joaquim Menendez. Auch Monte Pascoal hat Expansionspläne in Europa. Das Unternehmen verzeichnet ausgezeichnete Ergebnisse in Duty-free-Shops auf brasilianischen Flughäfen und exportiert schon nach Deutschland und Japan. Dannemann ist auf dem europäischen und amerikanischen Markt bereits sehr präsent, konzentriert sich aber mehr auf den Zigarillo-Markt mit bekannten Brands wie Moods und Al Capone. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass Brasilien wieder an den Punkt zurückkehrt, an dem es einmal war, doch diese neue Welle gibt sowohl Zigarrenherstellern als auch Rauchern einen Grund, optimistisch in die Zukunft zu blicken.

Alexandre Avellar gilt in Brasiliens als Instanz in Punkto Zigarren. 2010 gründete er Conexão Tabaco/Tudo Sobre Charuto, die nationale Top-Website in Sachen Zigarren-News. Zudem schreibt er für viele Zigarrenpublikationen in aller Welt. Beim 15. und 16. Habanos-Festival wurde er von Habanos S.A. für die Auszeichnung „Hombre Habano del Año“ (Habanos-Mann des Jahres) in der Kategorie Kommunikation nominiert. Er reist rund um den Globus, um über die wichtigsten Veranstaltungen zu berichten und die Kultur des Zigarrenrauchens zu fördern.


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