Guayabera Lady Berta Bravo Cigar Smoking

Zu Besuch bei Berta Bravo, der „Guayabera-Lady“ und Mode-Königin der Zigarrenszene

Die Herkunft der Guayabera-Hemden scheint – zumindest laut Wikipedia – umstritten zu sein. Manche nennen die Dominikanische Republik als Ursprungsland, andere die Philippinen, und selbst von Mexiko ist die Rede, doch bei jeder dieser Theorien spielt auch Kuba eine Rolle. Die Geschichte, die mir Berta Bravo erzählt, beginnt ebendort im frühen 19. Jahrhundert. „Das Shirt stammt aus Sancti Spíritus und wurde ursprünglich von Guayaba [Guaven]- Pflückern getragen“, erklärt sie. „Deshalb nähten die Frauen extragroße Taschen auf die Hemden, damit man viele Früchte darin unterbringenkonnte.“

Wir sitzen in Bravos Kleiderladen in Coral Gables, Miami, umgeben von leichten, luftigen Shirts in Pastellfarben, die für heißes Wetter gedacht sind und nach den neuesten Trends mit Taschen in angemessener Größe gefertigt werden. Vor 13 Jahren setzte sie eine lange Familientradition fort und begann, Guayabera-Shirts aus dem Kofferraum ihres Autos im Geschäftsviertel von Miami zu verkaufen. Schon bald wurde sie „The Guayabera Lady“ genannt.

„Mein Vater verwies mich an Leute, die in Bürogebäuden in Miami arbeiteten, also fuhr ich dort hin und verkaufte Hemden an Bank- und Versicherungsangestellte“, erzählt sie. „Den Spitznamen bekam ich, weil die Empfangspersonen E-Mails an die Mitarbeiter schickten, in denen es hieß: ,Die Guayabera Lady ist im 5. Stock‘ – oder wo ich mich eben gerade befand.“

Photo: Simon Lundh

Photo: Simon Lundh

Berta Bravo kam 1966 als Neunjährige in die USA. Die Tradition, Kleidung zu verkaufen, begann allerdings bereits in Kuba, wo ihr Großvater ein Geschäft führte, das danach ihr Vater übernahm. Als die Familie nach Miami übersiedelte, dauerte es eine Weile, bis ihren Eltern ein Neubeginn gelang. „Schon am Tag nach unserer Ankunft arbeitete meine Mutter als Tomatenpflückerin und mein Vater als Tellerwäscher. Neun Jahre später verkauften sie Kleidung aus dem Kofferraum unseres Autos und ein paar Jahre darauf konnten sie schließlich ein eigenes Geschäft eröffnen. Es war ein ganz normaler Bekleidungsladen, doch mein Vater hatte immer schon eine Leidenschaft für die Guayabera. ,Sie wird nie aus der Mode kommen‘, sagte er.“

Im Jahr 1998 fasste ihr Vater den Entschluss, das Geschäft zu verkaufen. Zur gleichen Zeit wurde Berta Bravo zum ersten Mal Großmutter. „Ich wollte mich um meine Enkeltochter kümmern und zu Hause bleiben.“ Das Schicksal wollte es anders. „Leider blieben meinem Vater nur noch fünf Jahre bevor er starb, und aus Schuld- und Schmerzgefühlen heraus beschloss ich, seinen Traum weiter zu verfolgen.“ So startete sie also mit dem Straßenverkauf, bekam ihren Namen und eröffnete 20 Monate später ihr eigenes Geschäft. „Anfangs hatte ich nur eine kleine, 65 Quadratmeter große ,Kammer‘. Zwei Jahre später zog ich in einen größeren Shop und vor drei Jahren fand ich diese Räumlichkeiten, die 325 Quadratmeter umfassen.“

Das Guayabera-Shirt ist leger und formell zugleich. Es kann zu Hochzeiten, Taufen oder am Strand getragen werden, und das ist vielleicht auch der Grund, weshalb es nie unmodern werden wird. „Es ist das einzige Kleidungsstück außer Hemd und Krawatte, das man in den Gerichtssälen in Miami tragen kann, zumindest zwischen Mai und September. Es gilt auch als formelle Abendgarderobe. Im Vorjahr veranstaltete Citibank zum Beispiel eine Weihnachtsfeier, bei der Smoking oder Guayabera als Dresscode zur Wahl standen. Und raten Sie, was davon 99 Prozent der Menschen wählen – die Guayabera.“

Auf Berta Bravo geht auch der sogenannte „Guayabera Friday“ im Geschäftsviertel von Miami zurück. „Ich weiß nicht wirklich, wie sich meine Idee durchsetzte. Der Slogan war ,Guayabera Fridays – Casual with a Flair‘ und es funktionierte. Viele Bankinstitute machen das jetzt.“

Was vormals ein Kleidungsstück war, das sich nur vornehme Herren leisten konnten, gibt es nun für jedermann – sogar für Frauen. „Ich beschloss, taillierte und somit gewagtere Shirts zu machen“, meint sie grinsend. „Aber ich bin sicher nicht die erste, die das tut.“ Ich blicke mich um und bemerke, dass einer der Kissenbezüge des Sofas, auf dem ich sitze, ebenfalls aus einem Guayabera-Shirt gemacht ist. Es scheint, als würde Berta stets einen neuen Verwendungszweck für das Kleidungsstück finden. Sie versorgt sogar unsere vierbeinigen Freunde damit. „Wir machten ein Familienfoto und ich dachte mir: Cody und Sassy sollten auch Shirts haben. Also haben wir ein paar maßgeschneidert und inzwischen sind sie ziemlich beliebt.“

Heutzutage ist die Guayabera ein prominentes Fashion-Statement in der Zigarrenszene – und all das, dank Bravo, obwohl sie selbst gar nicht Zigarre rauchte, als sie das Shirt Zigarrenherstellern und Zigarrenrauchern vorstellte. „Pedro Gonzalez von Don Gonzalez Cigars meinte, dass meine Kleidung ein großer Erfolg bei der ICPCR-Messe in Las Vegas sein würde und empfahl mir, 2008 dort hinzugehen. Ich erzählte meinem Sohn Joey, der Zigarrenraucher ist, davon und er sagte, wenn ich Zigarre rauchen lerne, dann könnte ich wohl ein paar Shirts verkaufen. Also probierte ich es das erste Mal bei einer Party mit meinem Sohn. ,Bring es mir bei‘, sagte ich ihm. Und er fragte mich: ,Bist du sicher?‘ Meine Antwort lautete: ,Ja, das schaffe ich!‘ Ich wurde grün und purpurrot im Gesicht und glaubte zu ersticken. Ich dachte mir, ich würde sterben. Am Tag danach probierte ich es nochmals und eineinhalb Jahre später wusste ich, was ich mochte. Heute rauche ich mindestens zwei oder drei Zigarren pro Tag.“

Photo: Simon Lundh

Photo: Simon Lundh

Jedenfalls reichte ihre damalige Zigarrenaffinität aus, um in Las Vegas ihre Shirts zu verkaufen. Ernesto Carrillo von EP Carrillo war der Erste, der eine große Bestellung über 300 Guayaberas aufgab, und Bravos Sohn ist sichtlich stolz auf seine Mutter. „Joey meint, er hat die coolste Mom. Während andere Mütter ihren Söhnen das Trinken und Rauchen verbieten, sag ich ihm, dass er vorbeikommen und mir Gesellschaft leisten soll. Außerdem ist er wohl der einzige 29-Jährige, der immer noch von seiner Mutter eingekleidet wird. Er ist nationaler Verkaufsleiter bei J. Fuego, also ein wandelndes Werbeplakat.“ Sie lacht herzlich und nimmt einen Zug von ihrer Zigarre in der Lounge-Ecke ihres Geschäfts.

Uns angeschlossen hat sich ihr Partner James Thomas, der großen Einfluss auf ihr Geschäft hatte und inzwischen Miteigentümer ist. „Er half mir, die Website zu verbessern und hatte die Idee, Mannequins, die Guayaberas tragen, an Zigarrengeschäfte zu vermitteln. So können diese die Shirts vermarkten. Wenn einer ihrer Kunden ein Hemd kaufen möchte, dann können sie das über unsere Website mit einem Rabatt abwickeln und der Geschäftsinhaber bekommt eine Provision“, erklärt Bravo. „Zigarrengeschäfte haben weder viel Platz noch einen großen Cashflow“, wirft Thomas ein. „Der Smoke Inn Shop, der über ungefähr zehn Standorte verfügt, hat sogar einen eigenen Lady Guayabera Corner auf seiner Website geschaffen.“

Hinter dem Fenster einer falschen Holzfassade im hinteren Teil des Geschäfts sitzt Berta Bravos Mutter an einer Nähmaschine und arbeitet an einem Hemd, als wäre die Zeit stehengeblieben. Im Alter von 85 unterstützt sie immer noch ihre Tochter und setzt gemeinsam mit einigen anderen Angehörigen die alte Familientradition fort. „Sie arbeitete früher Hand in Hand mit meinem Vater und jetzt näht sie das Innenmaterial von Shirts und sucht Knöpfe aus. Meine Söhne helfen mir beim Ausladen von Dingen und meine Enkelin Samantha ist in der Jugendabteilung unserer Wohltätigkeitsstiftung tätig.“ – Eine weitere Sache, der sie sich widmet: die sogenannte „Guayabera Lady Foundation“, deren Mission „die Schaffung von Bildungs-, Finanz- und Sachleistungen für Kinder und Jugendliche mit begrenzten Mitteln oder besonderen Bedürfnissen ist“.

„Wir arbeiten mit zwei örtlichen Wohltätigkeitseinrichtungen zusammen – der größten hispanischen Bildungsorganisation ASPIRA of Florida und Voices for Cerebral Palsy. Darüber hinaus gibt es eine intensive Kooperation mit Arturo Fuentes Cigar Family Foundation. Ich fühle mich wahrlich gesegnet: Ich habe drei gesunde Söhne und nichts ist erfüllender, als etwas zurückgeben zu können. Wie könnte ich jemandem nicht ein Lächeln schenken oder seine Situation verändern? Ohne das wäre das Leben für mich nicht vollständig.“

Photo: Simon Lundh

Photo: Simon Lundh

Dieser Artikel wurde in der Cigar Journal Winter-Ausgabe 2015 veröffentlicht.

Nachdem Simon Lundh 2005 sein Ingenieursdiplom in Vermessungstechnik erwarb, entschied er sich für eine journalistische Laufbahn. Er entdeckte die Welt der Zigarren während er für eine nichtstaatliche Organisation in Estelí, Nicaragua, arbeitete und verdient seinen Lebensunterhalt nun größtenteils mit Artikeln über Zigarren, Metal Music und Tattoos sowie Reiseberichten.


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