Es ist an der Zeit, Ramón Allones ein neues Image zu verleihen

Eine der traurigsten Geschichten während meiner Zeit im Havanna-Business war der stetige, teils steile Verfall von Ramón Allones.

Das ist für mich aus zwei Gründen wichtig: Zum einen, weil die Marke zwischen 1911 und 1927 im Besitz des britischen Zigarrenimporteurs Hunters – heute Teil des Habanos-Vertriebshändlers für das Vereinigte Königreich Hunters & Frankau – war, wo ich den Großteil meiner Karriere verbrachte und deshalb nahezu Eigenverantwortung dafür empfinde. Zum anderen, weil viele Jahre lang meine Standardantwort auf die Frage, was meine Lieblingszigarre sei, lautete: die Ramón Allones Specially Selected.

Photo: Hunters & Frankau

Photo: Hunters & Frankau

Während ihrer Blütezeit im Besitz von Hunters war Ramón Allones eine gigantische Marke. Im Katalog des Unternehmens aus dem Jahr 1924 sind insgesamt 62 verschiedene Formate gelistet. Eine Auswahl dieser Größenordnung gab es auch nach dem Verkauf der Marke an Cifuentes, Pego y Cía, Inhaber der Partagás-Fabrik, im Jahr 1927 und bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Aufgrund von Währungsbeschränkungen in der Kriegszeit herrschte bis 1952 ein striktes Einfuhrverbot von Havanna-Zigarren nach Großbritannien, und selbst danach waren die Mengen begrenzt. Im Hunters-Katalog aus dem Jahr 1957 scheinen nur bescheidene zehn Formate in 17 Verweisen zu Ramón Allones auf. Nichtsdestotrotz war es eine große Marke im Vereinigten Königreich, deren Verkaufszahlen jene des anderen wichtigen Zugpferdes des Unternehmens, der Montecristo, bei weitem übertrafen.

Abgesehen von den unumgänglichen Coronas und Petit Coronas umfasste das damalige Ramón Allones-Sortiment zwei interessante schlanke Vitolas sowie eine Gruppe mit dickeren Ringmaßen. Auf der schlanken Seite gab es die Private Stock (6 3⁄8 x 40 |162 x 15,9) und Ideales de Ramón im Perfecto-Format (6 3⁄8 x 36 | 162 x 14,3). Und in der Kategorie der „Zigarren mit extrafettem Umfang“ fanden sich die Magnum (5 5⁄8 x 46 | 143 x 18,3), Allones Grandes (6 1⁄4 x 44 | 159 x 17,5) und die Allones Specially Selected (5 1⁄8 x 48 | 130 x 19,0), wobei diese damals eine andere Form hatte als meine heutige Lieblingszigarre.

Nach der kubanischen Revolution 1959 änderte sich im darauffolgenden Jahrzehnt kaum etwas. Eine bemerkenswerte Ergänzung des Ramón Allones-Sortiments war eine einzigartige Verpackungsart der Coronas: die 8-9-8 Cabinet Selection mit 25 Zigarren, von denen acht in der oberen Reihe, neun in der mittleren und acht in der unteren arrangiert sind. In der Tat wurde diese Innovation auf Antrag von Hunters bereits 1958, kurz vor der Revolution, erstmals vorgestellt.

Photo: Hunters & Frankau

Photo: Hunters & Frankau

Die 1970er-Jahre brachten Veränderungen mit sich – zuerst positive, dann negative. 1972 gab es zwischen Ramón Allones und Partagás eine Rationalisierung der Formate, womit die Magnum und die alte Specially Selected von der Bildfläche verschwanden, dafür aber die
Gigantes im Format 109, die Dalia 8-9-8 (in England Churchill 8-9-8 genannt), eine schmale Ninfas mit dem Namen Selección No. 55, eine als Allones Extra bekannte Franciscano und eine winzige Panetela namens Ramonita hinzukamen. Die Specially Selected kehrte 1975 im Robusto-Format (47⁄8 x 50 | 124 x 19,8) zurück.

Zu diesem Zeitpunkt sah es für Ramón Allones gut aus. Es waren jedoch Kräfte am Werk, die den Ruf schwächen sollten. Zum einen konzentrierten sich die Verkäufe auf nur zwei Märkte – das Vereinigte Königreich und die Schweiz. Partagás hingegen war auf der ganzen Welt weitaus bekannter. Darüber hinaus kam es zum Aufstieg anderer kubanischer Marken, allen voran Montecristo. Eine überraschende Tatsache, auf die ich kurz nach meinem Arbeitsbeginn bei Hunters stieß, war, dass Ramón Allones 1970 im Vereinigten Königreich drei Mal so hohe Umsätze wie Montecristo verzeichnete, die Situation 1980 aber genau umgekehrt aussah. Ich habe nie genau verstanden, wie es zu so einer dramatischen Wende kommen konnte, aber Moden ändern sich wohl.

Es war ein Glück, dass ich 1978 das gesamte damalige Ramón Allones-Sortiment fotografierte, denn im selben Jahr startete Cubatabaco einen Rationalisierungsprozess. Die 109er Gigantes kam nun im Standard-Format Prominentes, oder Double Corona, und die Private Stock, Ideales de Ramón, Allones Grandes und Selección No. 55 verschwanden komplett. In den nächsten zwei Jahrzehnten blieben noch viele andere auf der Strecke, und Anfang des 21. Jahrhunderts gab es nur noch drei Standard-Formate: Gigantes, Specially Selected und Small Club Corona.

Und der Gipfel der Demütigung: In einem Rating der 27 Marken von Habanos S.A. nach deren Wichtigkeit wurde Ramón Allones in der niedrigsten Kategorie als „lokale Marke“ platziert. Angesichts dessen könnte man nun meinen, dass die Zeit gekommen ist, die Geschichte dieser ehrwürdigen Marke abzuschließen. Aber ein Faktor deutet auf einen anderen Handlungsverlauf hin.

Seit 2005 erlaubt Habanos S.A. seinen Vertriebspartnern, spezielle Formate von weniger bekannten Marken anzufordern, die sie als Ediciónes Regionales ausschließlich in ihren Märkten verkaufen dürfen. Es ist nicht nur erstaunlich, dass bis 2015 mehr als 150 davon produziert wurden, sondern ebenso bemerkenswert, dass es sich bei der am meisten gewählten Marke, also jeder fünften Edición Regional, um – richtig geraten – Ramón Allones handelt.

Bei so einem Vertrauensbeweis von Habanos S.A.-Vertriebshändlern in allen Winkeln der Welt ist es gewiss an der Zeit, Ramón Allones ein neues Image zu verleihen. Und es gibt jede Menge Formate der Vergangenheit, die zumindest ich gerne wieder rauchen würde.

Simon Chase, der von der New York Times als „britischer Zigarren-Weiser“ bezeichnet wurde, arbeitete von 1977 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2009 für das in London ansässige Unternehmen Hunters & Frankau – Habanos-Vertriebshändler für das Vereinigte Königreich. In dieser Zeit erwarb er umfassende Kenntnisse über die Zigarrenindustrie der Vergangenheit und Gegenwart, besonders jene in Kuba. Heute leitet er seine eigene Beratungsfirma Simon Chase Limited, die sich auf Zigarren-Marketing und Tabakgesetzgebung spezialisiert. Zudem ist er nach wie vor nicht-exekutives Mitglied im Vorstand von Hunters & Frankau. Im Jahr 1998 erhielt er von Habanos S.A. die Auszeichnung Hombre Habano del Año (Habanos-Mann des Jahres) in der Kategorie Kommunikation. Seither ist er bestens als Auktionator beim Gala-Dinner zum Abschluss des jährlichen Habano-Festivals bekannt.


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