Reinhard Pohorec hält ein Plädoyer, Cognac und Sherry neu zu entdecken.
Redaktion: Reinhard, Du bist der jüngste Cognac Educator auf der Welt und anerkannter Fachmann für Spirituosen und Wein. Als solcher warst Du Teil des Genussevents „Mountain on fire“ in Hochsölden, drei Tage, die sich ausschließlich um das Genießen drehten. Was genau war Dein Part?
Reinhard Pohorec: Als weltjüngster Cognac und Sherry Educator durfte ich die Genießer in die so besonderen, sensorischen Welten dieser wunderbaren Produkte entführen. Also Solisten sowie Begleiter zu den feinsten Zigarren, bestechen Cognac und Sherry durch ihre Komplexität, einzigartigen Düfte und Geschmäcker. Da beide Kategorien aktuell nicht die beste Reputation genießen und eher altväterisch und angestaubt daherkommen, ist meine große Leidenschaft, meine Berufung und mein Bestreben die Menschen zu begeistern und Ihnen neue, unverkrampfte Zugänge zu verstärkten Weinen und Weinbränden zu bieten. Das Rad nicht neu erfinden, nur wieder einen neuen Blick darauf werfen. Wenn es mir gelingt diese Leidenschaft und das jugendliche Feuer für die Produkte weiter zu geben, dann bin ich glücklich und dankbar.
Redaktion: Cognac hat ja immer noch den Ruf des Altherrengetränks. Dabei denken viele an gut situierte ältere Männer, die im bequemen Sessel sitzen und ihr Getränk in einem angewärmten Schwenker kreisen lassen. Stimmt diese Einschätzung noch?
Reinhard Pohorec: Leider ist in der Tat die Reputation, wie oben schon beschrieben, eine schlechte. Schlimmer noch: teils ist es gar nicht mehr das Vorurteil des Altherrengetränks, viele junge Menschen haben einfach überhaupt keinen Bezug mehr zu dieser Spirituose. Sehr schade. Wer würde schon im Club einen erfrischenden Longdrink mit Cognac bestellen oder lässig an seinem Horse’s Neck mit VSOP nuckeln?
Unverkrampfter Zugang
Redaktion: Du empfiehlst, Cognac auch in völlig ungewohnten Kombinationen zu genießen, zum Beispiel mit Ginger Ale. Geht das nicht zu weit? Wird man dem Cognac damit noch gerecht?
Reinhard Pohorec: Was es braucht sind Zugänglichkeit, ein unverkrampfter neuer Weg hin zu diesen wunderbaren Spirituosen, sei es pur, auf Eis, mit Ginger Ale oder in einem Cocktail. Wenn ich beste Grundzutaten für einen Drink verwende, kommt hoffentlich am Ende auch ein tolles Erlebnis heraus. Jakobsmuscheln oder Hummer isst man auch nicht immer nur gänzlich nackt und roh – da schreit niemand Zeter und Mordeo. Wenngleich ich als Professionist und aktivster Botschafter/Experte für Cognac weltweit unterwegs bin, mit vielen Produzenten, Gastronomen und Endverbrauchern spreche, so würde ich mich nie als Purist oder stocksteifen, verkopften Hardliner verstehen. Jedes Produkt und die Menschen dahinter gehören wertgeschätzt und in ihrer Qualität gewürdigt. Ich kann also auch empfehlen, einen hochkomplexen XO vielleicht nicht mit Cola zu genießen. Es darf aber nie um ein Erziehen-wollen oder eine Bevormundung gehen. Jeder soll trinken was und wie er Spaß daran hat. Nur so kann ein nachhaltig positives Momentum generiert werden. (PS: ich spreche bewusst auch nicht von Trend, da es mir stets um Nachhaltigkeit und konstant erfolgreiche Entwicklung/Implementierung geht – no fads, no trends, lieber Beständigkeit und Konsistenz.)
Nicht nur ein Lady-Drink
Redaktion: Eine andere Leidenschaft von Dir hast du beim „Mountain on fire“ zelebriert – den Sherry. Was für den Cognac für Männer gilt, schreibt man dem Sherry bei Frauen zu. Das Bild der älteren, vermutlich englischen Lady erscheint vor dem geistigen Auge. Etwas steif und gut situiert. Weshalb sollten jüngere Menschen zum Sherry greifen, wenn nicht ausnahmsweise als Aperitif bei einem guten Essen?
Reinhard Pohorec: Gerade in UK oder den USA sehen wir eine Entwicklung hin zu einem frischen, jugendlichen Zugang zu Sherry. Der Guardian sprach unlängst sogar einmal vom „Hipster“-Getränk. Da interessieren sich junge Menschen für Sherry – besonders die höheren Qualitäten. Weg von der Masse, hin zur Klasse. Die nackten Zahlen sehen zwar nicht so rosig aus, dafür besinnt sich der Sherry wieder vermehrt seiner Stärken und baut auf nachhaltig positive Entwicklungen. Sherry ist übrigens ob seiner Vielfalt der perfekte Begleiter durch einen ganzen Abend (oder Lunch oder Nachmittag). Ich kann vom Aperitif über die gesamte Menüfolge bis hin zu Dessert, Kaffee, Zigarre und Nightcap alles abdecken. Kaum ein anderes Getränk vermag so mannigfaltig zu überzeugen und einen Genussrahmen zu bilden. Auch der Umami-verstärkende Effekt spielt eine ganz zentrale Rolle. Und dann wäre da noch das besondere Talent des Sherrys in Cocktails zu brillieren. Alte Klassiker wie der Adonis Cocktail oder neuere Interpretationen mit Oloroso, Pedro Ximenez oder einer knochentrockenen Manzanilla werden wiederentdeckt, neu interpretiert und zelebriert.
Wunderbare Partner zur neuen Rocky Patel Grand Reserve
Redaktion: Für Dich, wie für viele andere Genussmenschen, gehört eine Zigarre in die Reihe der guten Dinge, die man degustieren sollte. Du hattest jetzt beim „Mountain on Fire“ die Möglichkeit, als einer der ersten die brandneue Grand Reserve Premium Zigarre von Rocky Patel zu probieren. Wie ist Dein Eindruck?
Reinhard Pohorec: Eine fantastische Zigarre, geprägt von Harmonie, Finesse und einer vollmundig, dunkel-würzigen Signatur, die aber nie überbordend oder sehr straff wirkt. Eleganz zeichnet die Zigarre aus, untermalt von kompakter Struktur, komplexen Aromen und einem wunderschönen Rauch-Genuss-Erlebnis. (Ein toller Blend aus Schokolade, zimtigen Akzenten, etwas grünliche Würze von Kardamom, Zitronengras und Sandelholz, kühl vollmundiger Geschmack von ausladender Grandesse, expressionistischer Individualität, perfekter Verarbeitungsqualität und toller, exklusiver Aufmachung).
Spannenderweise ist die Grande Reserve für mich eine perfekte Analogie – und somit natürlich auch ein wunderbarer Partner – zu Sherry und Cognac. Es geht um die subtile Komplexität, die Souveränität im Auftritt, welche aber nicht durch schiere Kraft sondern durch Finesse, Eleganz und Harmonie erzeugt wird. Oft glaubt man ein üppiger Single Malt müsse zur Zigarre genossen werden, oder schenkt einen kräftig rauchig-torfigen Islay Malt ein. Für mich geht es bei der Kombination mit Zigarre viel mehr um ein perfekt ausbalanciertes Miteinander, einen zarten Tanz der Sinne, die elegant umeinander kreisen. (Hoher Alkohol, überbordende Tannine, ruppige Noten oder Kraftprotze finde ich zu Zigarre schwierig. Deswegen sind der Sherry als verstärkter Wein, wenn gewünscht mit süßlicher Untermalung sowie der stets auf Eleganz hingetrimmte Cognac sensationelle Sparring Partner.
Redaktion: Wenn Du ein Getränk als Partner zu dieser Zigarre auswählen solltest, was würdest Du empfehlen?
Reinhard Pohorec: Ein Oloroso mit zart unterlegter Süße (beispielsweise Dry Sack 15 von Williams & Humbert), Equipo Navazos Palo Cortado Sherry, VIP XO Cognac von Frapin ist ein fantastisches Match, allenfalls könnte ich mir auch ein Chocolate Stout gut vorstellen oder einen Pineau des Charentes oder eine reife Beerenauslese von Velich oder Kracher. Viel Vergnügen!
Redaktion: Du hast die drei Tage des Events sehr bewusst erlebt. Wie war die Resonanz der Genießer für Dich?
Reinhard Pohorec: Das Feedback war sensationell – ich war begeistert, wie sich über die Tage ein familiäres Miteinander eingestellt hat, wie schnell sich eine Vertrautheit unter den Genießern ergeben konnte und wie sehr doch die verbindende Leidenschaft und wohlmeinende Wertschätzung alle begleitet, getragen und zueinander geführt hat. Die außergewöhnliche Qualität der Partner, Vortragenden und präsentierten Produkte hat zu dem insgesamt einzigartigen Level dieser Veranstaltung beigetragen und eine Dynamik sowie Exzellenz geschaffen, die ihres gleichen sucht.
Redaktion: Sollte „Mountain on Fire“ für das kommende Jahr noch einmal organisiert werden? Siehst Du Möglichkeiten, es noch besser zu machen?
Reinhard Pohorec: There’s always room for improvement, gerade wenn ein solches Event erstmalig über die Bühne geht. Insgesamt aber kann man nur ein höchstes Lob für die Veranstaltung aussprechen und es bleibt zu hoffen, dass die Qualität von Produkten, Botschaftern, Fürsprechern und Beteiligten unbedingt so hoch gehalten wird. Dann kann sich „Mountain on Fire“ als solch außergewöhnliche Genussmarke etablieren.