Premium-Zigarren repräsentieren etwas rein „Zentralamerikanisches“. Tausende Kilometer entfernt liegt der Geburtsort einer amerikanischen Musiktradition: des Blues, der seine Wurzeln im Mississippi-Delta hat. Beim Genuss von Musik und Zigarren gibt es eine wichtige Verbindung, denn beide rufen Emotionen bei Zuhörern und Rauchern hervor. Doch es brauchte eine rein amerikanische Erfindung, um Zigarren und Musiktradition zusammenzuführen – die Zigarrenkistengitarre. Die aus dem frühen 19. Jahrhundert stammende Zigarrenkistengitarre und ihr primitiverer, einsaitiger Vorfahre, der Diddley Bow, entstanden aus der Not heraus. Not macht erfinderisch und die Ärmsten des amerikanischen Südens waren überaus einfallsreich. Suppendosen, Pfannen, Waschbretter, Besenstiele und Eimer dienten ihnen neben anderen Haushaltsgegenständen als Mittel, um sich musikalisch auszudrücken. Zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs führte Abraham Lincoln eine Steuer auf Konsumgüter ein. Zigarren, die damals in Truhen von 100, 500 und 1000 Stück verpackt wurden, zählten zu den besteuerten Waren, und jede Kiste musste einen Steuerstempel aufweisen. Bald begannen die Hersteller, Zigarren in 25er-Kisten zu verpacken, die auch als „8-9-8“ bekannt waren – acht Zigarren in der unteren Reihe, neun in der mittleren und acht in der oberen. Diese kleineren, meist aus Zedernholz gefertigten Kisten, die gewöhnlich weggeworfen wurden, boten Musikern eine bessere „Basis“ für den Bau ihrer Gitarren. Zudem hatten diese Ur-Instrumente einen herrlichen hölzernen Ton und eine hervorragende Resonanz, wenn die Kiste mit einem Holzstab und ein paar Saiten aus Bindedraht versehen wurde. Zigarrenkistengitarren und -geigen wurden auch noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gespielt und blieben bis zum Zweiten Weltkrieg beliebt. Zeitschriften wie Popular Mechanics veröffentlichten DIY-Anleitungen. Aber in den 1960er-Jahren machten erschwingliche, massengefertigte Gitarren die Zigarrenkistengitarre zu einer archaischen Novität, und sie verschwand schließlich. Oder vielleicht doch nicht? Musiker wie Lightnin’ Hopkins, Albert King, Blind Willie Johnson, Little Freddie King und Dutzende andere „Bluesmen“, von denen viele im tiefen Süden der USA aufwuchsen, verfeinerten ihre Gitarrenkunst auf ihren eigenen Zigarrenkisteninstrumenten. Neben ihrer Musik gebührt ihnen Anerkennung dafür, dass sie die Zigarrenkistengitarre einem weltweiten Publikum vorgestellt haben. Ende des 20. Jahrhunderts entstand erneutes Interesse an der Zigarrenkistengitarre. Daraus entwickelte sich eine internationale Gemeinschaft von Musikern und Handwerkern mit einer Leidenschaft für den Bau und das Spielen dieser Instrumente, die ganz eigene, einzigartige Klangeigenschaften haben.
Shane Speal stammt aus York, Pennsylvania, und ist eine der Schlüsselfiguren, die für die Wiedergeburt der Zigarrenkistengitarre verantwortlich sind. Den Tischler und Musiker fasziniert die „Gitarre des armen Mannes“, er baut seit über 25 Jahren Zigarrenkistengitarren in dem kleinen Holzschuppen hinter seinem Haus. In seinem Buch Making Poor Man’s Guitars (Fox Chapel Publishing) schreibt er, wie man sie macht. Speals erste Gitarre war eine dreisaitige, die er aus einer Swisher Sweets-Kiste schuf. Als er begann, mehr Gitarren zu bauen, entwickelte er ein Interesse an handgefertigten Premium-Zigarren. „Wir benutzen bestimmte Kisten, weil man großartige Gitarren daraus machen kann, und ich fing an, mir Gedanken über die Zigarren in diesen Kisten zu machen“, erklärt Speal. „Es hat etwas Magisches an sich, wenn man eine Zigarrenkistengitarre baut und eine der Zigarren raucht, die sich einmal in der Kiste befand. Ich weiß nicht, was es genau ist; es bringt einfach all die Leidenschaften zusammen.“ Aus welchen Kisten kann man also die besten Gitarren machen? „Ich liebe Padrón-Kisten, weil sie so riesig sind, aber ich arbeite auch mit fast jeder anderen“, meint Speal. So hat er Gitarren aus Kisten von Arturo Fuente Chateau Fuente, La Aroma de Cuba Immensos, Punch Gran Puro, Hoyo de Monterrey Sultans und Partagás Black Label Magnifico hergestellt. Seine Lieblingskiste ist jedoch Macanudo Café Portofino. „Ich habe 1996 eine gebaut und spiele immer noch damit, aber sie bekommt langsam ein Loch, so wie Willie Nelsons Gitarre ,Trigger‘“, fügt er lachend hinzu. Wenn Speal an einer neuen Gitarre arbeitet, raucht er am liebsten eine Macanudo Café; zum Entspannen bevorzugt er eine Tabak Especial von Drew Estate. Obwohl die Zigarrenkistengitarre aus den USA stammt, ist sie dank Internet und Social Media zu einem internationalen Phänomen geworden. „Ich bekomme täglich E-Mails und Messages von Leuten auf der ganzen Welt, die die Zigarrenkistengitarre entdeckt haben“, sagt Speal. „Sie ist nicht nur eine amerikanische Kuriosität, sondern überschreitet alle Grenzen und Demografien. Derzeit erleben wir eine Renaissance beim Bau eines Do-it-yourself-Instruments. Aus zwei Gründen: Erstens, weil es keine Regeln gibt, wie man es bauen soll; folge einfach deiner Muse. Zweitens, weil es keine Regeln gibt, wie man es spielen soll. Das ist der Hauptgrund für das Wachstum der Zigarrenkistengitarren-Bewegung. Jedes Mal, wenn man jemanden die Chance gibt, die Musik seines Herzes zu spielen, hat man ein Stück Magie geschaffen.“