Der andere dominikanische Tabak

In der dominikanischen Tradition hat der Andullo so viel Gewicht, dass er zum Namensgeber eines Kapitels der Landesgeschichte wurde, des Angriffs der Andulleros. Der ereignete sich 1844 während der Schlacht von Santiago de los Caballeros, als Juan Pablo Duarte für das Ende der haitianischen Besatzung kämpfte. Jener Angriff, angeführt von Fernando Valerio, war ausschlaggebend für den Sieg der Dominikaner, sodass heute vor dem Militärstützpunkt in Mao in der Provinz Valverde, einer der wichtigsten Tabakregionen im Cibao-Tal, in Gedenken an die mutigen Andulleros und die Ereignisse, die vor fast zweihundert Jahren dort stattgefunden haben, eine große Statue aufragt. Innovative Impulse vonseiten der Branche brachten in den letzten Jahren Zigarren auf den Markt, die etwas mehr bieten, etwas Anderes und Neues. Dabei sollten dem traditionellen Aromaspektrum des Tabaks neue Aromen hinzugefügt werden, um damit auf die Forderungen eines Publikums einzugehen, das immer öfter nach neuen Geschmackserlebnissen verlangt. Und dafür gibt es viele Beispiele, wie etwa feuergetrockneter Tabak, der Raucharomen beiträgt, oder das Einbinden von ein wenig Latakia, einem sehr geschmacksintensiven Tabak. In der Dominikanischen Republik hingegen haben sich manche Marken dem Andullo zugewandt.
Der Andullo ist Tabak in Reinkultur. Tatsächlich wird die Sorte Criollo für den Anbau verwendet, ein kubanisches Saatgut, das 14 bis 16 kleine, lange Blätter ergibt; nur ist der Verarbeitungsprozess hier ein anderer. Dieser Verarbeitungsprozess ist typisch für das Cibao-Tal, aber auch für den Süden des Landes, östlich von Santo Domingo, wo das Hauptgebiet des Andullo liegt: Azua de Compostela. Simón Beltré ist im nahe gelegenen Tábara Arriba geboren. Er ist ein dominikanischer Andullero, der heute in Brüssel lebt und sich in das Abenteuer gestürzt hat, seine eigene Puro-Marke zu gründen: SB. „Der Tabak ist derselbe“, erzählt Simón Beltré, „aber der Prozess ist ein anderer, weil sich der Andullo in eine feste Substanz verwandelt und keine so aufwendige Überwachung erfordert.“

DREI PRESSUNGEN
Beltré erklärt, dass beim Prozess des Andullo nur zwei Schnitte an der Pflanze erforderlich sind. „Im Unterschied zu den Tabaken für Puros wird der Andullo auf einmal geerntet und dann im Schuppen drei Wochen lang getrocknet, wobei die Bandeliers mit erheblich mehr Tabakblättern bestückt werden.“ Bei der Trocknung ist nicht so sehr die Farbe wichtig, vielmehr soll das Blatt und vor allem die Hauptvene dünner werden. Im Anschluss, und noch vor der Fermentation, wird der Tabak entrippt, und hier beginnt die Besonderheit im Andullo-Prozess.

Der Tabak wird in Yaguas – zwei entgegengesetzt angeordnete Palmblätter – eingerollt, sodass er komplett von dem entstehenden Zylinder umgeben ist, der mit einem Seil fest umwickelt wird. Im Inneren beginnt die intensive Fermentation, bei der sich die ungefähr zehn Kilo Tabak in eine feste Masse verwandeln. Dem Prozess wird mit einer kleinen Menge Zuckerrohrsaft nachgeholfen, die dem Tabak keine Aromen hinzufügt, sondern allein der Gärung dient. In diesem gepressten Zustand verweilt der Tabak in der Yagua etwa vier Monate, wobei der Andullo den Prozess der Pressung innerhalb der vier Monate noch mindestens zweimal durchlaufen muss. Nach dieser Fermentationszeit wird der Yagua ein Tabak in Zylinderform entnommen, der zwar stark gepresst und fest ist, aber auch leicht zerbröckelt. An den Seiten sind die Seilabdrücke klar erkennbar, die Masse hat eine dunkle, reife Farbe und das Aroma weist auf die lange Fermentation des Tabaks hin. Gewöhnlich wird diese Art Tabak in einer Pfeife geraucht, doch trotz seiner Stärke „kauen ihn hier auch viele ältere Menschen und andere rauchen ihn sogar in Zigarettenpapier gerollt“, erklärt Simón Beltré.

DER „ANDERE“ TABAK
Der Andullo ist der andere traditionelle dominikanische Tabak. Wie der Latakia wird er gewöhnlich als Pfeifentabak benutzt, trotzdem verwenden ihn einige Hersteller von Puros in ihren Blends, um sie den Passionados als neue Produkte anbieten zu können. Auch bei Simón Beltrés Zigarrenmarke SB, eine außerhalb der Dominikanischen Republik noch wenig bekannte Superboutique-Marke, ist das der Fall. Zudem haben mindestens drei große Hersteller schon vor einer Weile Zigarren mit Andullo auf den Markt gebracht: CAO, La Aurora und VegaFina.
Der Andullo wird bei den vier Marken allerdings sehr unterschiedlich wahrgenommen. Bei der La Aurora ADN und CAOs Orellana, Anaconda und Fuma em Corda („fuma em corda“ ist der brasilianische Andullo) hat dieser andere Tabak viel Gewicht im Blend und ist ausschlaggebend für die Stärke. Bei der SB Andullo sind die dunklen Aromen spürbar, die sich aus der langen Fermentation ergeben, auf die Stärke wirken sie sich allerdings nur bedingt aus. Der neuen VegaFina Fortaleza 2 Andullo, der leichtesten unter ihnen, verleiht der Andullo Tiefe und Ausgewogenheit, macht sie aber auch zu einer starken Zigarre.
In jedem Fall liegt es offenbar im Trend, dem Blend einer Puro einen anderen Tabak hinzuzufügen. Und nicht nur das, es eröffnet auch einen neuen und aufregenden Innovationspfad, den es noch zu beschreiten gilt.

 

Copyright Fotos: La Aurora

Javier Blanco Urgoiti ist ein spanischer Journalist, der für die Prozesse rund um den Tabak schwärmt, die vor der Fertigung in der Zigarrenfabrik stattfinden, insbesondere für die Geheimnisse des Tabakanbaus. Ein Bereich, in dem er unermüdlich versucht, sich weiterzubilden. Javier raucht und schreibt seit 1998, zunächst für die spanischen Magazine “La boutique del fumador” und “La cava de cigarros”, später als Pressechef bei La Aurora, der ältesten Tabakfabrik der Dominikanischen Republik und nun für Cigar Journal, als Korrespondent in Spanien.


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