Carlos Fuente Jr.: Wir sind alle Eins

Das Chateau de la Fuente ist gespickt mit Symbolik– Carlitos Ausdrucksform der Wertschätzung gegenüber seiner Familie

Die acht majestätischen Königspalmen auf dem Chateau de la Fuente am halben Weg zwischen Santo Domingo und dem Epizentrum der Zigarrenindustrie, Santiago de los Caballeros, sind die einzigen von mehr als 200, die Hurrikan Georges im Jahr 1998 überstanden haben. Beharrlich haben sie dem Sturm getrotzt, der mit bis zu 250 km/h durch die Karibik und den Golf von Mexiko fegte, mehr als 600 Menschenleben forderte und fast zehn Milliarden US-Dollar an Schäden anrichtete. Als ob sie uns deutlich machen möchten, dass man selbst aus dem schlimmsten Unglück gestählt hervorgehen kann. Carlos „Carlito“ Fuente lehnte es damals ab, die Palmen umzusägen, auch wenn sie dann inmitten der neu angelegten Tabakfelder standen: „Ich bin überzeugt, da ist etwas Einzigartiges, wunderbar Spirituelles rund um diese acht Palmen. Sie sind Überlebende.“ Wer jemals die 107-jährige Firmengeschichte der Fuentes überflogen hat, dem wird rasch klar, wie viele Debakel die Familie wegzustecken hatte, um dahin zu gelangen, wo sie heute ist. Carlito ist seit dem Tod seines Vaters am 5. August 2016 das Familienoberhaupt. Dass Fuente eine der bedeutendsten Zigarrenfamilien ist (Jahresproduktion ca. 30 Millionen Stück) und viele der begehrtesten Zigarren der Welt herstellt, ist hinlänglich bekannt. Aber wer ist dieser Mann? Was steckt hinter dem Giganten der Zigarrenwelt?

Liana gratuliert ihrem Vater zum Lifetime Award

„Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie ich zu dem geworden bin, was ich bin, außer dass ich mich immer fest am Rockzipfel meines Vaters festgehalten habe“, sinniert Carlito. „Die Familie ist das Wichtigste, um Niederlagen zu verkraften oder Erfolg verantwortungsvoll zu verarbeiten“, ist er überzeugt, „schließlich ist unser Unternehmen eine Familie. Wir sind alle eins.“ Wie prägend sein Leitgedanke ist, drückt sich nicht nur in jeder Ecke seiner Fabrik aus, sondern sogar in der Landschaftsgestaltung am entzückenden Chateau de la Fuente in der Dominikanischen Republik. Ein pittoresker Skorpion aus gefärbten Steinen symbolisiert das Sternzeichen seines Großvaters Arturo. Unweit davon ziert ein Stiermosaik aus Steinen den Garten – jenes Sternzeichen, das Carlito mit seinem verstorbenen Vater teilt. Das Design der Fuente Fuente OpusX- Zigarre leuchtet ebenso weit in den Himmel hinauf wie das Symbol eines Kindes, umgeben von Tabakblättern, das eine Taube freisetzt – ein Bekenntnis zur Cigar Family Charitable Foundation, mit der die Familien Fuente und Newman (Anm.: J. C. Newman Cigar Company) Kinder der Region mit Schul-, Sport- und Gesundheitseinrichtungen unterstützen. Symbole sind Carlitos Ausdrucksform für Wertschätzung – ob für Familie und Freunde, ob gegenüber Tradition und Verantwortung oder schlicht im Geschäftsleben. Ein Handschlag von Carlito Fuente etwa zählt mehr als ein noch so ausgeklügelter Vertrag zwischen Anwaltskanzleien. So hat er es von seinem Vater gelernt. Und so ist auch er zum Mann der „alten Schule“ geworden, wie die Menschen in seinem Umfeld bestätigen. Ehrlichkeit, Integrität und Loyalität sind seine Grundfeste. „Vertrauen und Freundschaft kann man nicht kaufen“, kommt es Carlito von Herzen, „sie müssen erarbeitet werden. In guten und miesen Zeiten.“ Mit einigen Familien ist dieses uneingeschränkte Vertrauensverhältnis über Generationen gewachsen, weshalb Geschäft und familiär-freundschaftliche Bande über die Jahrzehnte eins geworden sind: etwa mit den Olivas aus Tampa, Eigentümer der Oliva Tobacco Company, oder mit der Familie Meerapfel in Belgien, die nicht nur Cameroon-Tabak kultiviert, sondern Fuente-Zigarren außerhalb der USA distribuiert. Und mit der Perez-Familie, deren A.S.P. Enterprises einer der weltweit führenden Tabakproduzenten ist. Außerdem mit Robert Levin und seiner Familie, für die Fuente seit 30 Jahren die Marke Ashton produziert. Und natürlich mit der Familie Newman aus Tampa. Carlito: „Es ist faszinierend, dass diese Familien, mit denen schon mein Vater oder Großvater kooperiert haben, heute noch zusammenarbeiten. Die Beziehung ist über Generationen gewachsen. Und alle unsere Kinder fühlen sich ebenso miteinander verbunden wie die Eltern. Das ist wunderbar. Das ist die Magie des Zigarrengeschäfts.“

La Catedral, die brandneue Fuente-Manufaktur in Santiago, ist nicht bloß Produktionsstätte, sondern eine atemberaubende Wiege der Kreativität

Symbole und Momentaufnahmen wichtiger Lebensabschnitte finden sich auf jedem Quadratmeter seiner Arbeitsstätte. Sein Büro, ebenso wie die neue Manufaktur, genannt La Catedral, sind Schauräume voll mit Erinnerungen an und Ehrerbietung gegenüber Familie und Freunden. Hier hängen großflächige Wandfotos seiner Vorfahren, der Familienmitglieder, enger Freunde wie Arturo Sandoval und Andy Garcia … Jeder Gang ist mit Zeitungsartikeln und Erinnerungsfotos gespickt, jeder Tisch voll mit persönlichen Briefen, Auszeichnungen, signierten Fotos von Staatsoberhäuptern, Künstlern, Sportlern … Es scheint, als wolle Carlito Fuente auf jedem Schritt daran erinnert werden, dass er ein Produkt seiner Vergangenheit ist und vielen viel verdankt. Das lebt und zeigt er offen. Liana Fuente, Carlitos Tochter und Vizepräsidentin bei Fuente Companies, sah immer schon zu ihrem Vater auf, „aber erst als Erwachsene ist mir bewusst geworden, welche Opfer und Risiken er auf sich genommen hat. Und nicht nur er, das gilt für alle drei Generationen vor mir. Was immer alle zusammengeschweißt hat“, erinnert sie sich, „war, dass jeder dem anderen die Stange gehalten hat.“ Nie habe einer den anderen von einem Plan abhalten wollen. Im Gegenteil, es habe immer geheißen: „Wenn du das für richtig hältst, machen wir es miteinander. Entweder wir scheitern gemeinsam oder wir schaffen es gemeinsam.“ Im innersten Kreis Carlitos bewegen sich handverlesene Menschen mit gleichen Wertvorstellungen, Leidenschaften und Zielen. Neben der Familie ist das etwa Ciro Cascella, Mitinhaber des beeindruckenden Arturo Fuente Cigar Clubs in Santo Domingo und Carlitos rechte Hand im operativen Geschäft. Zu ihnen gehört natürlich Félix A. Mesa, Zigarrenhersteller in Estelí, Eigentümer von El Galán Cigars und designierter General Manager der künftigen Fuente-Fabrik in Nicaragua. Aber auch Jean-Claude Biver, CEO von Hublot, Manny Iriarte, Fotograf und Designer, der für Hublot- und S. T. Dupont-Kreationen in Zusammenarbeit mit Fuente verantwortlich zeichnet. Auch Keith Park, Gründer von Prometheus Accessoires und Distributor der legendären Fuente Aged Selection, gehört dem Zirkel an. Park hat mit Regisseur James Orr eine fabelhafte DVD produziert, die sowohl die Familiengeschichte der Fuentes als auch die Entstehung der Fuente Fuente OpusX eindrucksvoll dokumentiert.

Links: Zwei Jahrzehnte nach dem Verkauf der ersten OpusX erschien die Serie Fuente Fuente OpusX 20 Years Celebration in vier Formaten Rechts: Bei einem furchtbaren Feuer im Jahr 2011 gingen tausende Ballen teils jahrzehntelang gereifter Tabake im Fuente-Tabaklager in Rauch auf. Ein Jahr später benannte Carlito Fuente diese Zigarre Angel’s Share

Die Musik dazu hat Arturo Sandoval komponiert und eingespielt, Andy Garcia und Joe Mantegna liehen der Doku ihre Stimmen. Übrigens wurden auch Sequenzen von The Lost City, einem Film von Andy Garcia (2005; mit Dustin Hoffman und Bill Murray), auf dem Chateau de la Fuente gedreht. Im sogenannten House of Dreams, einem Besucherzentrum auf Chateau de la Fuente, kann man all diese Beziehungen und Geschichten in imposanter Atmosphäre auf sich wirken lassen. „Ich versuche damit, mein Leben einzufangen, Erinnerungen wachzuhalten und in Stein zu meißeln, damit es für künftige Generationen greifbar wird“, sagt Carlito. „Ich möchte die Fackel an die nächsten Generationen weiterreichen, damit Zigarrenhersteller, die heute eine vom Aussterben bedrohte Spezies sind, noch eine Weile überdauern können.“
Carlito Fuente wurde im September 2018 vom Cigar Journal mit der Cigar Trophy für sein Lebenswerk ausgezeichnet, was der Auslöser für diese Geschichte ist. Während des zweitägigen Besuchs für diesen Artikel hat er kein einziges Wort über Zahlen, Marktanteile oder Geschäftsstrategien verloren. „Wichtig ist, dass wir rechtzeitig unsere Rechnungen bezahlen können. Das ist alles, was ich wissen muss“, wehrt er derlei Fragen ab. „Solange wir nachhaltig arbeiten und ich mich um meine Mitarbeiter kümmern und die Cigar Family Charitable Foundation weiterentwickeln kann, bin ich mit mir im Reinen. Ich selbst werde mein Leben nicht ändern, egal ob wir X, Y oder Z erarbeiten.“ Carlito wird nachdenklich, wenn er um seine Einschätzung der Zukunftsperspektiven gefragt wird. „Wenn wir Zigarrenhersteller zum Weiterbestand dieser Industrie beitragen wollen, dann müssen wir ihre Tugenden bewerben und darüber reden, dass die Zigarre Liebe und Freundschaft fördert. Darum geht es in unserem Geschäft. Es geht nicht um Wettbewerb zwischen Produzenten, sondern darum, unsere Geschichten zu erzählen, unsere Herkunft aufzuzeigen, unsere Kultur und die waren Werte des Lebens. Wir möchten Menschen zusammenbringen und diese Welt verbessern. Das ist das eigentliche Angebot, das wir darbieten können.” So sehr sein Herz für die Zigarre brennt, so grüblerisch sieht er in die Zukunft: „Ich hoffe, ich lebe lang genug, um meinen Masterplan für jenen Tag vorbereiten zu können, an dem am Chateau de la Fuente kein Tabak mehr kultiviert werden wird. Ich weiß, dass das unabwendbar sein wird. Dann soll das Gelände ein Vergnügungspark werden … ein kleines dominikanisches Disney World, ein Tummelplatz für glückliche Kinder.“

 

www.arturofuente.com

Copyright Fotos: Manny Iriarte 

His journalistic career began in 1979 as a freelancer for German-language newspapers in the US, and later for Austrian media including Die Wochenpresse and Das Wirtschaftsblatt. For ten years he also produced programs for over 60 radio stations around the world. In 1994, Reinhold C. Widmayer devoted himself to all things cigar, publishing technical articles in cigar magazines. He began working for Cigar Journal in 2001 and became editor-in-chief in 2005; under his auspices the journal has established itself as the world’s leading cigar magazine.


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