Photo: Macanudo | „Als wir mit der Produktion von Macanudo in Jamaika begonnen haben, entwickelten wir ein Verfahren zur Reifung und Trocknung unseres Connecticut Shade“ – Edgar Bullmann Junior
Um die Jahrhundertwende begann Joseph Cullman Junior Tabak in Connecticut zu kultivieren. Seine Familie war zuvor im Tabakhandel tätig und verkaufte Tabak von Produzenten in den USA an Zigarrenhersteller. Josephs Sohn Edgar, der seine Ausbildung im Zigarrenrollen in einer kleinen Fabrik in New York City gemacht hatte, stieg nach dem Zweiten Weltkrieg ins Unternehmen ein.
Er hatte die Liebe seines Vaters zum Tabak geerbt und widmete sich dem Anbau von herrlichem Connecticut-Tabak, bis ihm das allein nicht mehr reichte: Er kaufte 1961 mit ein paar Investoren die General Cigar Company. Die damalige Topmarke des Unternehmens war White Owl. Die Zigarren wurden größtenteils maschinell in Tampa hergestellt, weil es laut Edgars Sohn – Edgar Cullman Junior – zu teuer war, handgerollte Zigarren in den USA zu machen.
Jamaika in den Sechziger Jahren
Mitte der Sechziger war Jamaika total angesagt, denn schließlich befand sich hier – neben herrlichen Stränden und Landschaften – das Anwesen von James Bond-Erfinder Ian Fleming und der Flug von New York dauerte nicht allzu lang. Damals spielte Edgar Senior mit dem Gedanken, sich dort eine Ferienwohnung zu kaufen.
„Er hat Urlaub in Jamaika gemacht und sich ein Grundstück angesehen. White Owl war die größte Marke von General Cigar, und als sich mein Vater dieses kleine Grundstück am Meer anschaute, saß da diese kleine weiße Eule – ein wilder Vogel – auf dem ,Zu verkaufen’-Schild“, erzählt Edgar Junior. „Er meinte, das wäre ein Zeichen für ihn gewesen, und so kaufte er das Grundstück und flog daraufhin regelmäßig nach Jamaika.“ In Jamaika gab es noch ein paar kleine Zigarrenhersteller aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. „Damals befand sich das Vereinigte Königreich im Krieg und brauchte jeden Dollar. Man konnte es sich nicht leisten, gutes Geld für Tabak auszugeben“, erinnert sich der frühere Vize-Präsident von General Cigar, die Zigarrenlegende Benjamin „Benji“ Menendez.
„Aber Jamaika gehörte zum Commonwealth und druckte so viele Scheine mit dem Porträt des Königs wie es wollte. Die Fabrik dort war ein Joint Venture von Fernando Palacio und Menendez y Garcia, dem Unternehmen meiner Familie.“
Die Schöpfer von Punch kreierten Macanudo, eine Zigarre, deren Name auf den vormaligen englischen König Eduard VIII. zurückgeht, der 1936 abdankte, um die bürgerliche Amerikanerin Wallis Simpson zu heiraten. Laut Edgar Junior war Eduard ein großartiger Polospieler und lernte das Wort Macanudo von den Argentiniern, die meinten, dass es „super“ oder „fantastisch“ bedeutet. „Eduard übernahm das Wort und die Zigarrenhersteller in Jamaika fanden, dass es ein guter Name war.“ Laut Menendez sei das Geschäft in Jamaika profitabel gewesen: „Nach dem Krieg befand sich das Vereinigte Königreich in einer schlechten Lage. Die Fabriken in Jamaika blieben bis Mitte der Fünfziger in Betrieb und verkauften rund 13 Mio. Zigarren an das Vereinigte Königreich.“
Die kleine Zigarrenfabrik Temple Hall weckte die Aufmerksamkeit von Edgar Senior, der ins Premiumzigarrengeschäft einsteigen wollte. Temple Hall und Macanudo boten ihm die Möglichkeit dazu. 1968 kaufte er das Unternehmen und schickte seinen Freund Ramón Cifuentes, den legendären Zigarrenhersteller, der im amerikanischen Exil lebte und dessen Familie die Marke Partagás gehörte, nach Jamaika, um das Projekt ins Rollen zu bringen.
Photo: Macanudo | Zigarrenlegende Ramón Cifuentes baute die Zigarrenfabrik Temple Hall für seinen Freund Edgar Cullman auf
Der Beginn der Produktion von Macanudo
Die Idee für den Macanudo-Blend lieferte Cullmans hervorragender Connecticut-Tabak. „Als wir mit der Produktion von Macanudo in Jamaika begonnen haben, entwickelten wir ein Verfahren zur Reifung und Trocknung unseres Connecticut Shade“, erklärt Edgar Junior. „Das war immer schon ein sehr heller, leichter Tabak, den wir für die White Owl-Zigarren verwendet haben. Er galt nicht als Premiumtabak, aber wir haben einen Trocknungsprozess entwickelt, bei dem wir Blätter von verschiedenen Teilen der Pflanze verwenden: die unteren Primings für White Owl und die höheren Primings, die ein wenig stärkeren und reichhaltigeren Tabak liefern, für Macanudo. Das stellte einen der größten Verkaufsanreize dar.
Wir haben Millionen von Zigarren Stück für Stück per Hand angefertigt und dabei darauf geachtet, dass der Blend gleich bleibt.“ Im Jahr 1974 stieg ein junger Dominikaner, der sein Studium an der Texas A&M- Universität abgeschlossen hatte, ins Unternehmen ein. Daniel Núñez, der spätere Präsident von General Cigar, arbeitete zu dem Zeitpunkt als Agrarwissenschafter für das Instituto del Tabaco der Dominikanischen Republik.
„Der Direktor des Instituts sagte mir, dass Edgar Cullman mit Deckblättern in der Dominikanischen Republik experimentiert und auf der Suche nach einem englischsprachigen Uni-Absolventen ist. Ich war der einzige. Herr Cullman sah mich an und meinte: ,Junger Mann, wenn Sie mir Zeit geben, dann mach ich einen Tabakmann aus Ihnen‘.“ Núñez fügt hinzu, dass es keine leichte Zeit war. „Bei meinem ersten Besuch in Connecticut brachte er mich im Arbeitscamp der Mexikaner und Jamaikaner unter, weil er sehen wollte, ob ich es tolerieren würde und bereit sei, zu lernen.“
Núñez tat es und lernte. Daraufhin reiste er nach Jamaika, wo ihn Cifuentes weiter ausbildete. „Ramón meinte: ,Ich gebe dir sechs Monate meines Lebens, aber das bedeutet sechs Tage Arbeit die Woche.‘ Er war jeden Morgen um 6.30 Uhr vor Ort und wir drehten daraufhin unsere Runden. Er war der erste, der mir beigebracht hat, wie man Zigarren rollt und Tabak fermentiert. Ramón führte mich wie einen kleinen Jungen durch die Fabrik, nachdem die Arbeiter diese um 17 Uhr verlassen hatten.
,Ich will nicht, dass sie sehen, wie ich dir beibringe, eine Zigarre zu rollen‘, sagte er mir.“ Macanudo fand eine Lücke am US-Markt, was laut Núñez den Cullmans und Cifuentes zu verdanken sei. „Ihre Philosophie, an die ich mich bis heute halte, lautet ,keine Abkürzungen‘. Während des Zigarren-Booms gab es Zeiten, wo wir sechs bis acht Monate lang keine Macanudos liefern konnten, weil der Tabak noch nicht reif genug war.“
Photo: Macanudo | Herr Culman sah mich an und meinte: „Junger Mann, wenn Sie mir Zeit geben, dann mach ich einen Tabakmann aus Ihnen“ – Daniel Núñez
Den Cullmans gelang es, die Marke auszubauen, und bereits 1983 war Macanudo die meistverkaufte Premiumzigarre in den USA. Zudem wurde Tabak zur Seite gelegt, weil Edgar Vintage-Zigarren der Marke herstellen wollte. Laut Núñez reifte der dafür fermentierte Tabak zunächst zwei Jahre in Ballen. „Erst danach haben wir alle 6 bis 12 Monate eine Zigarre gemacht und probiert. Es war eine Frage von ,alles oder nichts‘.“ 1989 lancierte Macanudo seine erste Vintage Cabinet Selection, für die Tabak der 1979er-Ernte verwendet wurde.
Mitte der Neunziger, als der Cigar Boom seinen Höhepunkt erlebte, wollte Edgar Junior einen Ort schaffen, an dem sich Zigarrenraucher zuhause fühlen, und so eröffnete General Cigar 1996 den Club Macanudo in New York. „Wir haben uns gefragt, wie wir Macanudo nutzen können, um ihr Leben zu bereichern“, informiert Edgar. „Wir wollten eine Lösung finden, die es erlaubt, diesen Lifestyle auch wirklich zu leben.
“Seine Frau, eine Innenarchitektin, die ein paar Jahre vor der Eröffnung des Club Macanudo ihr eigenes Geschäft gegründet hatte, war für die Ausstattung verantwortlich. „Sie hat bei der gesamten Dekoration viel Wert auf Details gelegt. So haben wir z. B. mit Tabakblättern Abdrücke an den Wänden geschaffen. Wie Sie sehen können, ergibt das ein interessantes Muster.“ Dank einer Sondergenehmigung der Gesundheitsbehörde bleibt der Club Macanudo auch weiterhin eine Oase für Zigarrenraucher in New York.
Vor zwanzig Jahren begann Macanudo sein Portfolio zu erweitern: Den Anfang machte eine Robusto, gefolgt von einer Maduro. Bis zum Jahr 2000 hatte man die gesamte Produktion in die Dominikanische Republik verlegt. Dazwischen wurden weitere Linien hinzugefügt, um das Geschmacksprofil von Macanudo auszubauen. 2014 erfolgte der Launch der Inspirado Orange in Europa, die zwei Jahre später ihr Debüt in den USA feierte. Im Vorjahr folgten die Inspirado White und Black. Laut Regis Broersma, Präsident von General Cigar, rundet Inspirado das Programm ab: „Hier handelt es sich um eine moderne Interpretation der Marke Macanudo für Zigarrenraucher, die auf der Suche nach neuen Geschmackserlebnissen sind.“
Photo: Macanudo | Inspirado RED ROBUSTO
Launch der Inspirado Red Robusto
Dieses Jahr lanciert man die Inspirado Red, die der Linie ein nicaraguanisches Geschmacksprofil verleiht. Die Red präsentiert sich mit einem Habano Ligro-Deckblatt aus Ecuador über einem nicaraguanischen Jalapa-Umblatt und gereiftem Einlagetabak aus Nicaragua und Honduras: zwölfjähriger aus Ometepe, fünfjähriger aus Estelí und zehnjähriger aus Jamastran. „Dank der Inspirado-Linie finden langsam immer mehr Leute zu Macanudo, und genau so soll es sein“, meint Broersma.
„Wir möchten nichts überstürzen, sondern wollen einen ,langsamen Abbrand‘. Wir präsentieren nur ein paar neue Macanudo-Produkte pro Jahr und erzielen somit eine größere Wirkung bei neuen und erfahrenen Zigarrenrauchern. Die Ergebnisse sind äußerst positiv.“ Anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums der Kultmarke plant das Unternehmen eine Reihe von Veranstaltungen. Broersma weist zudem darauf hin, dass die Inspirado-Linie bereits das zweitstärkste Produkt ist. Und der Launch der Inspirado Red zeigt, dass Macanudo längst nicht mehr nur eine Zigarre für „Oldies“ ist.
Dieser Artikel wurde in der Cigar Journal Sommer-Ausgabe 2018 veröffentlicht Mehr