Der Geschichte des Aluminium-Tubos auf der Spur

Tubos aus Aluminium gehören ebenso zur Habanos-Zigarrenszene wie Kisten mit Labels, Zedernholz-Kabinette und elegante Humidore. Die traditionellen, handgefertigten Kisten gibt es schon seit Jahrhunderten. Aber wann tauchten die Röhren erstmals auf und von wem stammte die Idee?

Dank meiner letztjährigen Recherche zur 225-jährigen Geschichte des britischen Habanos-Vertriebshändlers Hunters & Frankau kann ich beide Fragen beantworten.

Ein Großteil der Geschichte spielt in England und dreht sich um ein Unternehmen namens J. Frankau & Co. Ltd, einer der wichtigen Vorläufer von Hunters & Frankau. Gegründet wurde die Firma von Joseph Frankau, der 1839 von Frankfurt am Main nach London emigrierte. Nach seinem Tod ging der Betrieb an seinen Sohn Arthur, der in den späten 1850er-Jahren Kontakte mit einer anderen deutschen Emigrantenfamilie – den Upmanns in Havanna – aufbaute und exklusiver Händler für H. Upmann-Zigarren im Vereinigten Königreich wurde. J. Frankau florierte bis zu Arthurs frühzeitigem Tod im Jahr 1904 – bis sein Sohn Gilbert im Alter von nur 21 Jahren die Geschäftsführung übernahm. Gilbert Frankau war ein hitzköpfiger junger Mann, der sich nicht in der Zigarrenszene, sondern als Autor von populären Romanen einen Namen machte. Nachdem er das Unternehmen fast in den Ruin getrieben hatte, beschloss seine Familie, es zu verkaufen, und so kam J. Frankau 1916 in den Besitz des konkurrierenden Habanos-Importeurs Braden & Stark.

Photo: Simon Chase

Photo: Simon Chase

Otto Braden und James Stark waren Geschäftspartner und besonders ersterer, ein gebürtiger Deutscher, der Meinung, dass die Marke H. Upmann auf lange Sicht sehr wertvoll sein würde. Er hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass die von der Familie Upmann stets parallel geführte Bank 1922 Pleite gehen würde, was auch das Fortbestehen der Zigarrenfabrik bedrohte. In J. Frankaus Vorstandsprotokoll vom 4. September 1922 heißt es: „Herr O. Braden soll sich nach Havanna begeben und dort bei der Regelung in der Angelegenheit der Fabrik H. Upmann Hilfe leisten, die vom Scheitern des Bankhauses H. Upmann & Co betroffen ist, um die künftige Lieferung der Marke und Vertretung sicherzustellen.“ Otto Braden wurde „zur Gewährleistung der weiteren Alleinvertretung der Marke durch das Unternehmen“ ermächtigt, eine Summe von 10.000 Pfund für den Kauf der Fabrik auszugeben.

Nach zwei weiteren Besuchen in Havanna erwarb er schließlich im Mai 1925 die Marke und die Fabrik. Um diese sinnvoll betreiben zu können, gründete er das kubanische Unternehmen Compañia Frankau de Tabacos S.A.. Mit Otto Braden als Präsident gelang der Compañia Frankau de Tabacos die Sanierung von H. Upmann und nach seinem Tod im Jahr 1930 trat sein 47-jähriger Sohn Waldo an seine Stelle. 1932 beschloss Waldo, dass Havannas Zigarrenhandel eine Möglichkeit zum breiteren Vertrieb und Verkauf seiner Produkte finden musste. Gleichzeitig sollte aber garantiert sein, dass die Zigarren in gutem und unbeschädigtem Zustand beim Verbraucher ankommen. Er fand heraus, dass man durch das sogenannte Fließpressverfahren unter Verwendung von Aluminium einen für Zigarren geeigneten Behälter zu einem erschwinglichen Preis herstellen konnte.

Leider glaubten seine Kollegen, dass es traditionelle Habanos-Raucher nicht tolerieren würden eine in einer Röhre abgepackte Zigarre zu kaufen. Doch Waldo ließ sich nicht entmutigen. Er designte einen Verschluss für seinen Aluminium-Tubo, kam für sämtliche Kosten der Entwicklung selbst auf und ließ ihn unter dem Namen „Solo-Seel“ patentieren.

Im September 1933 teilte er seine Idee dem Vorstand mit, der ihm widerwillig erlaubte, einen Test mit H. Upmann-Zigarren durchzuführen. Der Launch fand im Dezember 1933 statt. Das Resultat war erstaunlich, und im Mai 1934 akzeptierte der Vorstand Bradens Angebot, dass H. Upmann über einen Zeitraum von fünf Jahren ausschließlich die neue Verpackungsart nutzen dürfe. Waldo wollte dafür eine Anzahlung von 200 Pfund sowie eine Lizenzgebühr von einem Halfpenny pro Röhre.

Photo: Hunters & Frankau

Photo: Hunters & Frankau

Ein Jahr später veröffentlichte J. Frankau eine Anzeige im Tobacco Magazine, die eine Grafik der monatlichen Umsätze von „Solo-Seel“ zeigte. Sie waren auf dem Weg an die Spitze. Man sollte meinen, dass Waldo Braden nach diesem gelungenen Coup eine glorreiche Karriere in der Zigarrenindustrie bevorstand. Aber es hat nicht sollen sein!

James Stark, Vorsitzender von J. Frankau, befand sich in einem schlechten Gesundheitszustand und so beschloss man erneut den Verkauf des Unternehmens – diesmal an den renommierten Zigarren-Experten D. G. Freeman von J. R Freeman & Sons. Im Juli 1935 wurde der Vorschlag des Verkaufs von J. Frankau inklusive der Compañia Frankau de Tabacos dem Vorstand unterbreitet. Alle stimmten dafür – bis auf Waldo Braden. Während einer blitzschnellen Abfolge von Aufsichtsratssitzungen versuchte er, den Deal mit allen Tricks – u. a. stahl er die Schlüssel des Unternehmenssafes – zu verhindern. Als er zugab, dass er unbefugt eine zusätzliche Marge für seine „Solo-Seels“ verrechnet hatte, wurde er von D. G. Freeman schließlich gefeuert.

Nach Bradens Tod erzielte seine Erfindung immer größere Erfolge. Knapp über 40% aller im Vorjahr im Vereinigten Königreich verkauften Habanos-Zigarren waren in Tubos verpackt.

Wenn Sie das nächste Mal eine Habanos aus Ihrem Alu-Tubo nehmen, dann denken Sie doch einen Moment an das unbestrittene – wenn auch unorthodoxe – Talent von Waldo Braden.

* Dieser Artikel erschien im August 2015 im Magazin Virtuozity.

Simon Chase, der von der New York Times als „britischer Zigarren-Weiser“ bezeichnet wurde, arbeitete von 1977 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2009 für das in London ansässige Unternehmen Hunters & Frankau – Habanos-Vertriebshändler für das Vereinigte Königreich. In dieser Zeit erwarb er umfassende Kenntnisse über die Zigarrenindustrie der Vergangenheit und Gegenwart, besonders jene in Kuba. Heute leitet er seine eigene Beratungsfirma Simon Chase Limited, die sich auf Zigarren-Marketing und Tabakgesetzgebung spezialisiert. Zudem ist er nach wie vor nicht-exekutives Mitglied im Vorstand von Hunters & Frankau. Im Jahr 1998 erhielt er von Habanos S.A. die Auszeichnung Hombre Habano del Año (Habanos-Mann des Jahres) in der Kategorie Kommunikation. Seither ist er bestens als Auktionator beim Gala-Dinner zum Abschluss des jährlichen Habano-Festivals bekannt.


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