Drei Säulen sind es, die das Leben des Musikers und der lebenden Legende der Zigarrenbranche bestimmen und sich gleichsam wie die Sätze einer Symphonie zu einem Ganzen zusammenfügen: die Musik, seine Sprachkenntnisse und die Leidenschaft zur Zigarre. Reinhold C. Widmayers Freude ist groß, als er Avo Uvezian ein halbes Jahr vor seinem 90. Geburtstag bei guter Gesundheit in seiner jetzigen Heimatstadt Orlando trifft.
„Wenn man mich früher nach meiner Lieblingsmusik gefragt hat, war meine Antwort Jazz. Heute ist es eigentlich der Tango“, sinniert Avo Uvezian. Seine Syncro Nicaragua Special Toro ist nach einer Stunde Interview kalt geworden, was ihm im Redeschwall nicht auffällt.
Wie einen Taktstock schwingt er sie in seiner Hand und schwelgt in Erinnerungen. „Mein erster Lehrer an der Julliard School of Music war Teddy Wilson, Pianist bei Benny Goodman.“
„Art Tatum hat mich ebenso beeinflusst wie Fats Waller und Keith Jarrett. Aber am meisten berührt mich eigentlich die Expressivität des Tangos, seit ich gemeinsam mit Hendrik Kelner in Argentinien war. Tango ist die Seele der Menschen!“
Meine Freude, die Legende Avo Uvezian ein halbes Jahr vor seinem 90. Geburtstag bei so guter Gesundheit an seinem Pool in Orlando anstatt im Krankenhaus zu treffen ist umso größer, als sein Gesundheitszustand nach dem Autounfall vor zwei Jahren stets Anlass zur Sorge war. Seine engen Freunde, die ich noch am selben Abend in der Corona Cigar Lounge an der West Sand Land Road treffe, bestätigen: „Wir waren lange Zeit echt besorgt um ihn. Aber jetzt versprüht er wieder Lebensfreude und treibt uns alle vor sich her.“
Ich genieße das Leben, die Musik und die Zigarre … was für ein phantastisches Erzeugnis!
Wie eng und harmonisch Avo Uvezian in die Zigarrenszene seiner jetzigen Heimatstadt Orlando eingebunden ist, bestätigt auch Jeff Borysiewicz, Eigentümer der Corona Cigar Company: „Avo ist ein wunderbarer Mensch und teurer Freund. Er ist faszinierend und zieht Menschen automatisch in seinen Bann. Es gibt keinen besseren Botschafter in der Welt der Zigarre.“ Drei Säulen sind es, die Avos Leben bestimmen und sich gleichsam wie die Sätze einer Symphonie zu einem Ganzen zusammenfügen: die Musik, seine Sprachkenntnisse und die Leidenschaft zur Zigarre.
Einige Sprachen und das musikalische Talent wurden ihm in die Wiege gelegt, als er am 22. März 1926 als Sohn armenischer Exilanten in Beirut geboren wurde. Die Eltern sprachen Armenisch, andere Verwandte nur Türkisch, die Amtssprache war Arabisch und seine Schulsprache Französisch. Später lernte er von amerikanischen, britischen und australischen Soldaten, mit denen er als junger Erwachsener musizierte, perfekt Englisch. Exzellente Kenntnisse in Spanisch, Deutsch, Italienisch und Farsi kamen auf Reisen und durch Freunde hinzu.
„Manchmal kommen die Sprachen durcheinander“, schmunzelt er, „dann habe ich Zahlen eher in Armenisch im Kopf, fluchen lässt es sich am besten auf Türkisch, und von hübschen Frauen träumt es sich in Französisch am besten.“
Avo Uvezians Vater, ein in Leipzig ausgebildeter Violinist und Dirigent eines Symphonieorchesters, war sein musikalischer Mentor. Die Klassik sollte aber nicht Avos Metier bleiben, denn der Schwung und die Lebensfreude des Jazz hatten ihn bereits in frühen Jahren in den Bann gezogen. Bald nach dem Tod des Vaters musste er auch trachten, erheblich zum Familienunterhalt beizutragen, und die Jazzmusik war – wie so oft in seinem Leben – der Rettungsanker.
Er gründete die Liban Boys, mit denen er zunächst durch die Ferienresorts im Libanon tingelte und 1946 schließlich nach Bagdad aufbrach. „Erst fuhren wir mit dem Auto nach Damaskus, von dort mit dem öffentlichen Bus durch die Wüste. Mitten in der Einöde blieb der Autobus auf der Strecke, und wie es das Schicksal wollte, war bald eine Gruppe Banditen auf Kamelen da. Während die Fahrgäste rat- und hilflos im Bus verharrten, besann ich mich auf meine islamischen Kenntnisse, die ich von Klassenkameraden mitbekommen hatte, und stieg als einziger aus, Auge in Auge mit dem Banditenführer. Mein erster Satz (auf Arabisch) war: ,Im Namen des Korans begehren wir Gastfreundschaft, Nahrung und Schutz’. Und so kam es wundersamerweise auch. Ich hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Der einzige Tribut, den wir zu entrichten hatten, war meine Mickymaus-Uhr, auf die der Anführer sein Auge geworfen hatte. Die Räuber errichteten sogar ein Zelt für uns, organisierten einen Ersatzbus und verschwanden wieder, noch bevor die Helfer zur Stelle waren. Ich erzähle das nur, um zu demonstrieren, wie wichtig es manchmal ist, über andere Kulturen und Religionen Bescheid zu wissen.“
Die Liban Boys unter Avo Uvezian waren eine gefragte Jazz-Formation in den einschlägigen Bars landauf, landab. Avo sog begierig alle Berichte auf, die er zu dem Genre auftreiben konnte, spielte die Musik der Schallplatten nach, die er von seiner Tante aus Amerika erhielt und wurde sogar in einer Ausgabe des US-Jazzmagazins Downbeat als erster Abonnent im Libanon erwähnt.
Neben der Rhythmusgruppe mit Schlagzeug, Bass und ihm selbst am Klavier, spielte ein weiterer Geige und Saxophon, ein anderer Akkordeon und Trompete. „Das war meine Band. Mit dieser Truppe spielte ich im Libanon, in Bagdad und später in Teheran.“
Dort avancierte Avo Uvezian zum Entertainer von Schah Mohammad Reza Pahlavi, der ihm letztendlich dabei half, das begehrte Visum für die USA zu erlangen.
1947 war es soweit. Er inskribierte an der Julliard School of Music New York. „Ich spielte Gigs in den einschlägigen Clubs, wo ich auch meine erste Frau kennenlernte.“ Die folgenden Jahre als Soldat in der U.S. Army durchtauchte er – wiederum dank seiner Sprach- und Musikkenntnisse – ohne Kriegseinsatz. Stattdessen war er Übersetzer, spielte im Offiziersclub und in der 1st Army Band. „Man drückte mir einfach eine Posaune in die Hand. Davon hatte ich natürlich keine Ahnung. Nachdem ich als Ahnungsloser enttarnt war, wurde ich kurzerhand am Glockenspiel eingeteilt.“
Im Jahr 1971 verschlug es Avo Uvezian in die Karibik. Seine erste Ehefrau war verstorben, und da ihm der Schwiegervater eine kleine Juwelenmanufaktur in Puerto Rico hinterlassen hatte, siedelte er sich kurzerhand in den paradiesischen Großen Antillen an. 13 Jahre sollte dieser Lebensabschnitt dauern. Er bedeutete für Avo das Sprungbrett in die zweite Ehe, ein solides Einkommen als Pianist im Palmas Del Mar Resort, gute Geschäfte in der Immobilienbranche und schließlich den Start seiner Zigarrenkarriere.
Die erste Begegnung mit Hendrik Kelner und Eladio Diaz fand in den 1980er-Jahren in Santiago de los Caballeros statt, wo Kelner mit Freunden eine kleine Manufaktur aufgebaut hatte.
Die Zusammenarbeit war rasch besiegelt, die richtigen Blends bald gefunden und obendrein entwickelte sich eine tiefe Freundschaft zwischen den Gleichgesinnten. Mit seinem spärlichen Kapital orderte Avo immer mehr Zigarren, die bei den abendlichen Auftritten auf immer größeren Zuspruch stießen.
Meine Zigarren verkauften sich dermaßen gut, dass Davidoff schließlich den Vertrieb übernahm.
Der erste nachhaltige Erfolg seiner Marke AVO stellte sich ein, nachdem er Muster an die 1987 eröffnete Davidoff-Boutique in New York City geschickt hatte: „Meine Zigarren verkauften sich dermaßen gut, dass Davidoff schließlich den Vetrieb übernahm.“
Im ersten Jahr setzte man 125.000 Stück ab, bald waren es mehrere hunderttausend Zigarren. Angesichts solcher Bilanzen dauerte es nicht lange, bis Dr. Ernst Schneider von der schweizerischen Oettinger Imex AG (dem Eigentümer von Davidoff) bei Avo Uvezian anklopfte und dem aufstrebenden Zigarrenproduzenten einen ähnlichen Deal unterbreitete wie davor schon Zino Davidoff.
Fortan stand Avo Uvezian zwar mit seinem Namen und seinen Ideen an der Spitze der Marke, die Eigentumsrechte gingen hingegen auf das Schweizer Familienunternehmen über.
„Ja, es war ein gutes Geschäft für beide Seiten. Und für die Marke AVO war es der Beginn neuer Höhenflüge“, konstatiert Avo. Tatsächlich zählt AVO neben den Marken Davidoff und Camacho heute zu den drei wichtigsten des gesamten Zigarrenportfolios der Oettinger Davidoff AG. In Europa setzte der Boom für AVO-Zigarren mit der Gründung der AVO-Sessions (seit 2013 Baloise Session) Ende der 1990er-Jahre so richtig ein.
Die Indoorfestivals in Basel unter der Leitung von Matthias Müller waren Highlights für Musik- und Zigarrenfreunde gleichermaßen und brachten zahlreiche internationale Stars an den Rhein, mit denen Avo Uvezian teilweise auch selbst musizierte. Auf YouTube zeugen heute noch schöne Videos von den hochkarätigen Performances.
Wie wir uns alle ungern erinnern, stoppte 15 Jahre später die Anti-Tabak-Gesetzgebung das Sponsoring der Eventserie. Der Euphorie rund um die Zigarrenmarke tat das keinen Abbruch.
Der Schweizer Unternehmer Otto Fischer richtete 2003 die allererste AVO-Lounge ein, weitere folgten in Europa, in den USA und Puerto Rico. Die Marke AVO umfasst mittlerweile fünf reguläre Serien namens Classic, Domaine, XO, Heritage und Syncro. Seit 2001 erschien außerdem jährlich eine Limited Edition zu Ehren ihres charismatischen Namensgebers.
„Wer bin ich?“, wiederholt Avo meine Frage und zieht an seiner Zigarre. „Ich bin ein glücklicher Mensch mit vielen sehr guten Freunden und einem wunderbaren Brand-Manager (J. Scott Kolesaire, Anm. d. Red.)“, lacht er, „er ist das Beste, was mir in den letzten Jahren widerfahren ist. Ich bin natürlich das Resultat meiner Familie und von fast 90 Jahren Lebenserfahrung. Ich genieße das Leben, die Musik und die Zigarre … was für ein phantastisches Erzeugnis! Ein universeller Reisepass. Und mein bester Kamerad.“
Avo Cigars Portfolio
Alle Zigarren der Marke AVO werden von der OK Cigar Corp. Inc. in Santiago/Dominikanische Republik, handgerollt.
AVO CLASSIC
Die erste Kreation von Avo Uvezian gemeinsam mit Hendrik Kelner, lang vor der ersten dominikanischen Davidoff-Zigarre. Eine milde Zigarre, cremig und zedrig. Von den fünf Tabaken wird ein Filler-Tabak vor der Verarbeitung stets 25 Jahre lang gereift.
Wrapper: Ecuador Connecticut Sun Grown
Binder: Dom. Rep.
Filler: Dom. Rep.AVO DOMAINE
Anlässlich des 10-Jahre-Jubiläums im Jahr 1998 lanciert. Die Filler-Tabake stammen aus Avos eigener Plantage in der Dom. Rep. (deswegen „Domaine“), die Deckblätter aus Ecuador werden in der Dom. Rep. ein zweites Mal fermentiert. Eine eher kräftige Zigarre mit Raffinesse.
Wrapper: Ecuador Connecticut Sun Grown
Binder: Dom. Rep.
Filler: Dom. Rep.AVO XO
Eine würzige, mittelkräftige Zigarrenlinie mit durchwegs musikalischen Namen wie Trio, Quartetto, Serenata, Intermezzo oder Allegro – inspiriert von Zino Davidoff, der seinen Zigarren Beinamen von Bordeaux-Weinen wie Chateau Margaux, Chateau Yquem etc. gegeben hatte.
Wrapper: Ecuador Connecticut Sun Grown
Binder: Dom. Rep.
Filler: Dom. Rep.AVO HERITAGE
Die 2010 lancierte Linie ist von üppigen Holzaromen, geröstetem Kaffee sowie zartem Pfeffer geprägt. Sie ist vollmundig und würzig im cremigen Rauch; zarte Nussaromen verleihen ihr ein abgerundetes Profil. Sieben Tabake werden verarbeitet. Sie ist mittelkräftig bis kräftig.
Wrapper: Ecuador Connecticut Sun Grown
Binder: Dom. Rep.
Filler: Dom. Rep.AVO SYNCRO NICARAGUA
Die jüngste AVO-Zigarrenlinie wurde 2015 in den USA mit vorerst vier box-pressed Vitolas vorgestellt und wird 2016 weltweit eingeführt.
Wrapper: Ecuador
Binder: Dom. Rep.
Filler: Nicaragua, Dom. Rep., PeruAVO LIMITED EDITIONS
Seit 2001 erscheint jährlich eine AVO Limited Edition. Dieses Jahr ist es die AVO Classic Covers 2015 Limited Edition.
Wrapper: Ecuador
Binder: Mexico
Filler: Nicaragua, Dom. Rep.
Information:
AVO Cigars
www.avo.comAvo Sessions/Beloise Session
www.baloisesession.ch
Dieser Artikel wurde in der Cigar Journal Winter-Ausgabe 2015 veröffentlicht. Mehr
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