Wir sind sehr nahe dran an Swedish Match. Und wir werden ihnen die Marktposition als zweitgrößter Zigarrenkonzern der Welt sehr bald streitig machen.“ Die Kampfansage ist keine leichtfertig dahin gesagte Provokation. Der Mann, der die Scandinavian Tobacco Group (STG) damit auf die Überholspur lenkt, ist ein knallharrt kalkulierender Manager mit 20 erfolgreichen Berufsjahren, zehn davon im Tabak. Und: CEO Anders Colding Friis will sich damit noch keineswegs zufrieden geben, denn langfristig sieht er sein Unternehmen sogar durchaus fit für die Rolle des Weltmarktführers. „Wie rasch wir diese Ziele erreichen, ist mir nicht so wichtig“, bleibt Friis angesichts der dreisten Ansage cool, „viel bedeutender ist die Dynamik, die ein solcher Führungsanspruch unternehmensintern auslöst.“ Die kollektive Motivation der Mitarbeiter zum kontinuierlichen Erfolg ist seine vorrangige Triebfeder. „Ich möchte das Ziel mittels Wachstum erreichen. Wenn wir an Swedish Match nur deshalb vorbeiziehen, weil es dem Mitbewerber vorübergehend vielleicht einmal schlechter geht, befriedigt mich das gar nicht“, gibt sich der Däne kampfeslustig.
Mit 10.000 Mitarbeitern weltweit, 4200 davon in den zahlreichen Tabakunternehmen des Firmengeflechts, hat der STG- Konzern eine stattliche Größe erreicht. In elf Fabriken, verstreut über sieben Länder, wird Tabak verarbeitet: in Dänemark, den Niederlanden und Belgien, in der Dominikanischen Republik, Indonesien, Nicaragua und Honduras. Insgesamt produziert der Konzern 1,7 Milliarden Stück Zigarren und Zigarillos jährlich und erwirtschaftet damit 270 Millionen Euro Umsatz. Der Umsatz der gesamten Gruppe im zuletzt abgeschlossenen Geschäftsjahr übersteigt diese Zahl allerdings noch bei weitem: insgesamt 5,9 Milliarden Euro. Vertriebsorganisationen hat das Unternehmen im Heimatland Dänemark, in den Beneluxstaaten sowie in Deutschland, Frankreich, im Vereinigten Königreich, Spanien, den USA und Kanada aufgebaut. Über diese Hauptkanäle vertreibt STG Tabakprodukte in insgesamt 115 Länder. Laut Firmenangaben bewegen sich die Marktanteile gemessen an Stückzahlen (Zigarren und Zigarillos) um die 12,5 Prozent weltweit. Blendet man den US-Markt aus, steigt er auf nahezu 21 Prozent an, in Europa reklamiert STG 18 Prozent Marktanteil für sich. In Australien sind es gar an die 50 Prozent.
MIT CAO SCHLAGARTIG INS INTERNATIONALE RAMPENLICHT
Die Geschichte des Familienunternehmens geht bis auf das Jahr 1750 zurück, als Chr. Augustinus Fabrikker in Kopenhagen seine erste, kleine Manufaktur aufbaute. 1961 schlossen sich dessen Nachfahren mit zwei weiteren dänischen Tabakdynastien zusammen, um gemeinsam die Skandinavisk Tobakskompagni A/S zu begründen. Die beiden Teilhaber waren C. W. Obel aus Aalborg (gegründet 1787) und R. Færchs Fabrikker aus Holstebro (gegründet 1869). Nach etlichen Firmenübernahmen und -beteiligungen war ein Unternehmenskonglomerat entstanden, das heute als weltweit größter privater Tabakkonzern bezeichnet werden kann. Seit Dezember 2008 firmiert er unter dem leichter auszusprechenden Namen Scandinavian Tobacco Group, steht aber nach wie vor (bzw. wieder) zu hundert Prozent im Eigentum von zwei der ursprünglichen Gründerfamilien.
Der Erfolg von STG beruht auf den weltweit bekannten Klein- 38 Zigarren und Cigarillos wie Café Crème, Henri Wintermans, Colts, Nobel Petit und Mercator, von denen etwa allein in Frankreich 375 Millionen Stück pro Jahr abgesetzt werden, in Großbritannien sind es nicht weniger als 202 und in Kanada 131 Millionen Einheiten, um nur einige wichtige Märkte zu nennen, alles in allem eben 1,7 Milliarden. Nicht minder weit verbreitet sind die Pfeifentabake namens Clan, Orlik, Erinmore, W. Ø. Larsen, Peter Stokkebye, Stanwell und Sweet Dublin … Mehr als 150 Sorten vermarktet STG derzeit. Ein Viertel des weltweiten Jahreskonsums an Pfeifentabaken (etwa 4445 Tonnen) entfällt auf STG-Produkte (1141 Tonnen). Stanwell-Pfeifen gehören ebenfalls zum Portfolio von STG, und nur so nebenbei: mit dem bekannten Pfeifenmacher Niels Larsen ist Anders Colding Friis zur Schule gegangen. Nicht zu vergessen ist, dass STG etliche Feinschnitte für Selbstdreher produziert, und das in großen Mengen.
Ins Rampenlicht des internationalen PremiumZigarren-Business katapultierte sich der STG-Konzern vor zwei Jahren. Am 25. Januar 2007 gab das Management die Übernahme eines der bekanntesten und dynamischesten Zigarrenunternehmen der USA bekannt – CAO. „Wir waren damals Vertriebspartner von CAO in Großbritannien, standen also in einer engen Geschäftsbeziehung mit dem Eigentümer Cano Ozgener, ebenso wie mit Tim und Aylin, die das Unternehmen schon leiteten“, erinnert sich der 46-jährige Firmenchef. „Für uns war es der ideale Moment, im US-Zigarrenmarkt Fuß zu fassen, und im Gegenzug war es für CAO von Vorteil, die Marke künftig mit uns als starkem Eigentümer weiter zu entwickeln.“ Gary Hyams, bis dahin Managing Director einer britischen Henri Wintermans-Tochterfirma, wurde als Aufsichtsratsvorsitzender zu CAO International nach Nashville entsandt. Einvernehmen herrschte von vornherein darüber, dass Tim Ozgener weiterhin als Präsident von CAO tätig sein solle. Friis: „CAOs ungeheure Innovationskraft im Marketing bei gleichzeitig konstantem Qualitätsanspruch war eigentlich der Ausschlag gebende Faktor für unser Engagement in den USA. Ich bin froh, dass wir diesen Schritt gemacht haben.“
Was den Vorstandsvorsitzenden des STG-Konzerns angesichts der überhand nehmenden Rauchverbote, prohibitiven Steuern und gesetzlichen Hürden so sehr am amerikanischen Markt fasziniert? „Nun, wenn man den US-Markt mit Europa vergleicht, dann bin ich fasziniert, wie dynamisch die Entwicklung jenseits des Atlantiks trotz aller Beschränkungen ist. Unwägbarkeiten und Schwierigkeiten werden in den USA viel rascher weggesteckt. Der Markt reagiert schneller, neue Nischen und Geschäftszweige werden flotter ausgelotet. Das macht mich zuversichtlich …“, fundiert Friis sein Vorwärtsstreben.
NÄCHSTER SCHRITT:
PRODUZENT VON PREMIUMZIGARREN
„Meine größte Sorge nach der Akquisition von CAO war, dass wir keine Kontrolle über die Beschaffungskette der Zigarren hatten, das ist nämlich sonst in allen unseren Unternehmensbereichen selbstverständlich. Unser Bestreben war es also von vornherein, auch in die Produktion von PremiumZigarren einzusteigen und so die gesamte Logistikkette vom Tabakkauf bis zum Vertrieb kontrollieren zu können“, erläutert Anders Colding Friis seinen nächsten Coup, der rund um die Jahreswende 2008/09 für gehöriges Aufsehen in der Zigarrenwelt sorgte. Nach mehreren Tagen des Brodelns in der Gerüchteküche bestätigte er die Übernahme von gleich zwei renommierten Manufakturen in Danli, Honduras, und Estelí, Nicaragua. Die Verkäufer: keine geringeren als Charlie Toraño einerseits sowie Fidel, José und Aldrin Olivas andererseits. Friis resümiert: „Wir hätten natürlich auch aus eigenem versuchen können, eine Manufaktur aufzubauen, aber das ist gerade im Premiumsektor enorm schwierig. Und warum sollten wir eine Gelegenheit wie diese auslassen? Die Toraños und Olivas genießen Weltruf, und das Beste ist, dass sie in ihren bisherigen Positionen weiter zur Verfügung stehen werden … eine klassische Win-win-Situation für alle.“
Beim genaueren Betrachten der Konstellation fallen die Teile des Puzzles auf ihren rechten Fleck: Die ehemalige Toraño-Manufaktur, jetzt im Besitz von STG, produziert einen Gutteil der Zigarrenlinien von CAO, ebenfalls im Besitz von STG. Gleichzeitig fertigt Toraño aber auch Zigarren wie die Dunhill Signed Range, welche bekanntlich British American Tobacco (BAT) gehört? „Oh, das ist einfach erklärt“, wehrt Friis mögliche Konfliktszenarien ab. „BAT war lange Zeit Teilhaber unseres Konzerns. Wir pflegen eine enge, freundschaftliche Verbindung zwischen den Unternehmen.“
„UNSER CREDO HEISST WACHSTUM“
Angesichts des offensiven Expansionskurses der STG in den vergangenen Jahren scheint das weitere Wachstumspotenzial der Dänen vorgezeichnet. An Ehrgeiz fehlt es jedenfalls nicht, auch nicht an der zur Verfügung stehenden „Kriegskasse“ für weitere Übernahmen, wie Friis recht unverblümt zugesteht: „Am weltweit schrumpfenden Pfeifentabaksektor ist Konsolidierung angesagt. Wenn es interessante Übernahmemöglichkeiten gibt, haben wir stets Interesse. Akquisitionen sind für mich aber nur das Gewürz auf der Speise. Das eigene organische Wachstum bleibt weiterhin die wichtigste Rezeptur unserer Küche.“
Auch am Zigarrensektor ist Anders Colding Friis offen für neue Abenteuer. Die Frage nach möglichen Übernahmekandidaten handelt er kurz und mit einem verschmitzten Lächeln ab: „Wir sind interessiert …“ Natürlich liegt es nach einer solchen Antwort auf der Hand, konkrete Markennamen abzufragen, was im Zuge des Interviews auch geschah. Und es verwundert nicht: alle angesprochenen Herstellernamen entlockten dem Manager einfach nur ein knappes „Ja“, um am Ende hinzuzufügen: „Unser Treibstoff heißt organisches Wachstum. Wenn sich darüber hinaus auch Möglichkeiten eröffnen, das eine oder andere Unternehmen zu erwerben, dann prüfen wir das gern – nicht nur in den USA, auch in Europa …“ Der Herausforderer bringt Spannung und Bewegung in den Markt.
Dieser Artikel wurde in der Cigar Journal Frühjahrs-Ausgabe 2009 veröffentlicht. Mehr