ROCKY PATEL – KEINE HALBEN SACHEN

Rakesh „Rocky“ Patel begeht sein 25-Jahr-Jubiläum in der Zigarrenbranche nach dem Motto „nicht kleckern, sondern klotzen“. Er investiert massiv in Nicaragua, kultiviert dort mittlerweile Connecticut- und Broadleaf-Deckblätter und wird nach dem Ankauf beachtlicher Flächen an Ackerland demnächst 845.000 Quadratmeter (120 Manzanas) bewirtschaften. Noch in diesem Jahr ist der Baubeginn einer brandneuen Fabrik in Estelí geplant, um die Produktion von bisher sieben verstreut gelegenen Gebäuden auf ein Betriebsgelände zu konzentrieren. Die Kapazität der Fabrik legt er auf bis zu 50.000 Zigarren pro Tag aus, auch wenn er vorerst maximal 25.000 Stück in Estelí herstellen will. Die Gesamtleistung aus eigener Erzeugung (Honduras und Nicaragua) samt Lohnfertigung beträgt derzeit knapp 80.000 Stück täglich. Allein im Jahr 2018 exportierte Rocky Patel Premium Cigars (RPPC) rund 22,5 Millionen Zigarren in die USA. Rockys Freund und Geschäftspartner Amilcar Perez Castro, der die aus allen Nähten platzende Tabacalera TaviCusa in Estelí leitet, hat kürzlich ein Nachbarhaus der Fabrik in ein Reifelager umgebaut, wo derzeit rund drei Millionen Zigarren ihrer Lancierung entgegenschlummern. Eine davon ist die neue Linie für die Cigar Smoking World Championship (siehe Infokasten Cigar Portfolio), eine zweite die Zigarre zum 25-Jahr-Jubiläum von RPPC.

Zusätzlich zu den Farmen in Nicaragua überlegt Rocky Patel auch Land in Honduras zu kaufen. Hier in seiner Fabrik El Paraíso

All dies sind keine zaghaften Wachstumsschritte. Hier gibt jemand richtig Gas, und das in Zeiten, in denen viele die Zigarrenzukunft gar nicht rosig sehen. Bei Gesprächen unter Kollegen und Brancheninsidern herrscht stets die Meinung vor, dass Rocky Patel sein Unternehmen, das in 189 Länder liefert, zur maximalen Gewinnoptimierung vorbereiten und zum bestmöglichen Zeitpunkt veräußern würde. Nach dem Gespräch zu dieser Story bin ich allerdings überzeugt davon, dass dies entweder nicht seine Intention oder zumindest nicht der richtige Zeitpunkt ist. „Es gab ehrlich gesagt noch kein ernsthaftes Angebot“, wischt Rocky die Spekulationen weg. „Plaudereien ja, aber ein solides Gebot? Nein.“ Sein Unternehmen Rocky Patel Premium Cigars ist hervorragend aufgestellt. Es rangiert nach Einschätzungen des Eigentümers unter den besten fünf bis zehn Prozent, gemessen am EBITDA1), und unter den fünf bis sechs umsatzstärksten Zigarrenunternehmen Amerikas. Was die Zulassung bzw. Registrierung bestehender Tabakmischungen betrifft: mit mehr als 2.500 Blends in Bestandsgarantie gilt Rocky als „König“ in der Branche. „Wir haben unser Blend-Portfolio mal an einer riesigen Wand aufgelistet. Es erinnerte mich irgendwie an den Film Genie und Wahnsinn [A Beautiful Mind]“, lacht er. Über die Zulassung dieser Blends braucht er sich keine Sorgen machen. Dass die FDA2) aber verpflichtende Tests (Inhaltsstoffe, Rauch, chemische Analysen etc.) durchdrücken könnte, erfüllt ihn mit Schrecken. Diese Prozeduren könnten ihn bis zu 66 Millionen US-Dollar kosten, hat er ausgerechnet. „Das würde viele Hersteller ihre Existenz kosten. Und wir müssten etliche Linien aus dem Angebot nehmen.“ Bekanntlich ist Rocky Patel einer der engagiertesten Kämpfer gegen derlei überbordende Regulierungen. Gerichtliche Klagen dagegen sind anhängig, und der ehemalige Rechtsanwalt verbringt zu seinem Bedauern mehr Zeit mit Lobbying als bei den Kunden.

Im Januar 2020 wurde die neue Wettbewerbszigarre für die Cigar Smoking World Championship lanciert

„Die jetzige Situation ist mehr als unbefriedigend. Solang es keine endgültige Entscheidung über die Befugnisse der FDA gibt, fährt die gesamte Branche wie am Pannenstreifen. Stell dir vor, die Behörde verhängt ein Parkverbot, aber niemand legt fest, wo man nicht parken darf“, schüttelt Rocky den Kopf. Und er führt an, dass es am amerikanischen Zigarrenmarkt 55.000 Artikel gibt. Die FDA würde Jahrzehnte benötigen, um die geplanten Tests für all diese Zigarren abzuarbeiten. Die Art und Weise, wie das Amt sich der Thematik Premiumzigarren widmet, kommt ihm vor, als würde man einen Installateur entsenden, um die Rakete eines Raumschiffs zu inspizieren.

„Ja, wir planen weiteres Wachstum und investieren weiterhin … möglicherweise bald auch in eigene Farmen in Jamastrán [Honduras]“, legt Rocky Patel seine langfristigen Pläne offen. Er mag leere Ankündigungen nicht und schränkt gleich ein: „Ich möchte mich aber zunächst auf Eigenmarken konzentrieren. Dafür treiben wir die interne Integration voran, erweitern also die eigene Tabakproduktion. Plus: wir kaufen so viel wie möglich Top-Tabake wie Jamastrán-Deckblätter, Pennsylvania Broadleaf, Connecticut Broadleaf, Connecticut Shade, Ecuador Sumatra und Cameroon von großartigen Produzenten, darunter A.S.P., Meerapfel, Oliva Tobacco, Plasencia etc. Die benötigen wir für weitere Limited und Special Editions wie A.L.R.“

Ein Blick in den begehbaren Humidor der Burn-Lounge in Atlanta, Georgia

Vor allem Connecticut Broadleaf ist laut Rocky Patel derzeit weltweit Mangelware, weil der Bedarf seitens der Cannabis-Industrie erheblich gestiegen ist. Rocky gibt offen zu, dass seine Sun Grown Maduro bald für ein halbes Jahr nicht lieferbar sein wird, eben aus diesem Grund. „Es ist derzeit wirklich schwierig, die Lager aufzufüllen. Du weißt ja nicht, welche Blends schlussendlich abheben, brauchst aber genügend Bestand, um gewappnet zu sein“, plaudert er aus der Schule. Obwohl Rocky Patel sicher 80 bis 100 Eigenmarken besitzt, schielt er zumindest vorsichtig auch auf den Zukauf anderer. „Ich möchte noch nicht konkret darüber sprechen. Aber ich habe das am Radar. Akquisitionen passieren mitunter rasch“, führt er kryptisch an.

BURN BY ROCKY PATEL
Neben seinen Wachstumsbestrebungen als Zigarrenhersteller legt sich Rocky Patel auch als Gastronom gewaltig ins Zeug. Seine erste Burn by Rocky Patel-Lounge in Naples, Florida, hat er vor zehn Jahren eröffnet. Die zweite – in Pittsburgh – folgte 2018. Danach öffneten die Türen Schlag auf Schlag in Oklahoma City (hier kommt im Sommer 2020 eine Rooftop-Bar hinzu), Atlanta und Indianapolis. Fünf Locations reichen ihm aber nicht. Rocky ist auf der Suche nach weiteren Standorten in Nashville, Houston, Dallas, Las Vegas …

Jede Burn-Lounge erhebt den Anspruch, die beste Bar der Stadt zu sein. Ein Blick in die Lounge in Pittsburgh, Pennsylvania

„Burn ist ein Konzept, das sich an die Millennials richtet. Diese Generation hat die Ressourcen, um das Leben zu genießen. Wir konnten uns in unserer Jugend kaum ein Bier kaufen, aber heute sind die jungen Leute glücklicherweise in der Lage, sich Luxus wie Whiskys oder Zigarren leisten zu können. Unsere Burn-Lounges sind einfach die besten Bars in den jeweiligen Städten. Basta.“ Tatsächlich sind die Lokale durchdacht bis ins Detail, bestechend im Design, anspruchsvoll und elegant. Vier Millionen US-Dollar und mehr steckt Rocky in jeden Betrieb, um Spitzenklasse in Ambiente, Angebot und Service zu bieten. Und er hat damit ins Schwarze getroffen. Angeblich machen die einzelnen Betriebe an Abenden gegen Ende der Woche locker 20.000 Dollar Umsatz. Allein die Lounge in Naples verkaufte im Vorjahr Zigarren im Wert von 800.000 Dollar; die Investition war nach zweieinhalb Jahren eingespielt.

ERFOLG HAT EINEN PREIS
Den Erfolg hat sich Rocky Patel, der neben seinem Bruder Nish Patel und seinem Cousin Nimish Desai Haupteigentümer von RPPC ist, hart erarbeitet: „Der Preis ist Verzicht“, gibt der Workaholic zu bedenken. „Verzicht auf Familie, Freunde, Beziehungen … ein Leben in Autos, auf Flughäfen, in Flugzeugen und Hotelzimmern – das muss man erst durchdrücken.“ Und aushalten. In den vergangenen sechs Jahren hat er seinen Alltag drastisch umgestellt. Er isst viel gesünder, steht fast täglich um sieben Uhr im Fitnessstudio und bemüht sich um
Work-Life-Balance. Golf, Wasserski, Alpinski, Football und Basketball gehören zu seinen bevorzugten Sportarten. Manchen seiner Mitarbeiter – ebenso wie Nish und Nimish – hat er mit seiner Vorbildwirkung schon auf eine gesündere Bahn gebracht. Rocky macht sich sogar die Mühe, für seinen Mitarbeiterkreis im Hauptquartier in Bonita Springs Mittagessen zu kochen. „Ja, ich liebe es zu kochen“, versprüht der Noch-Fünfziger Begeisterung. „Oft stehe ich an Sonntagen stundenlang in der Küche und bereite Lunch für die nächsten Bürotage vor.“ Eines seiner Lieblingsgerichte ist persisches Tandoori-Huhn, mariniert in Safran, Zwiebel, Knoblauch, Zitrone, griechischem Joghurt und Gurke. Natürlich kocht er aufgrund seiner Wurzeln auch gern indisch. Und als Hobbyfischer bringt er nicht selten Grouper, Yellowtail, Snapper oder Kingfish aus dem Golf von Mexiko mit. Seine Leidenschaft fürs Kochen hat ihn zum Blenden von Zigarren gebracht. Rocky liebt es zu experimentieren, in der Küche genauso wie im Tabaklager.

Mit seinem Team ist Rocky Patel nicht nur zu Bürozeiten beieinander, sondern oft auch an Abenden, Wochenenden und Feiertagen. V. l. n. r.: Hamlet Paredes, Nish und Rocky Patel, Nimish Desai

Eines bringt Rocky Patel nicht und nicht zustande: Nichtstun. Er kann sich gar nicht vorstellen, auf der Couch zu liegen, in den Fernsehapparat zu starren oder sonst wie untätig herumzuhängen. Auch verbringt Rocky seine Zeit lieber mit Menschen als allein. Mit seinem Team ist er nicht nur zu Bürozeiten beieinander, sondern oft auch an Abenden, Wochenenden und Feiertagen. „Irgendwie funktioniert das Unternehmen eher wie eine eingeschworene Bruderschaft als eine straffe Organisation“, bemerkt er stolz. Nach einer kurzen Gedankenpause und einem Zug an seiner A.L.R. beugt er sich kurz vor und sagt: „Wenn ich von einer Geschäftsreise nach Hause komme, schießt es mir manchmal ein, dass ich nicht viele Freunde im privaten Kreis habe. Meine Freunde sind auch Geschäftsfreunde und rund um die Welt verstreut. Zuhause ist mein Team der Freundeskreis.“ Auf meine Frage, wie er dann mit seinen Mitarbeitern/Freunden umgeht, wenn Dinge schieflaufen, antwortet er: „Ich kann durchaus auch laut werden, aber das dauert nicht lang. Wichtig ist, dass wir aus unseren Fehlern lernen. Insgesamt bin ich ein hoffnungsloser Romantiker, was Loyalität betrifft.“ In seinem engeren Kreis sind fast alle – wie er selbst – Quereinsteiger, die in anderen Branchen arbeiteten, aber durch die Leidenschaft zur Zigarre zueinandergefunden haben: Nimish Desai (Vice President of Operations) war im Telemarketing beschäftigt, Nish Patel (Exe- cutive Vice President und das „Schweizer Messer“ bei RPPC) in der Papierindustrie; Christopher Mey (International Sales) war früher an einer Technischen Universität tätig, Rob Rimes (Senior Creative Director) beschäftigte sich mit Video Games. Nur Dave Bullock (Vice President of Sales) und Hamlet Paredes (Master of Tobacco) hatten einschlägige Berufserfahrung. Mit Genugtuung verweist Rocky darauf, dass alle Arbeiten im eigenen Haus erledigt werden, vom Design bis hin zum Vertrieb. Allerdings findet er es angezeigt, bald ein Zentrallager für Europa einzurichten. Eine solche Einrichtung kann und will RPPC nicht selber betreiben. Er ist mit dem slowakischen Großhändler MY & MI s.r.o. im Gespräch, der die Belieferung europäischer Märkte auch für andere große Hersteller organisiert. Die Auslagerung des Europa-Vertriebs wird die Verfügbarkeit der Marken deutlich verbessern und beschleunigen. Rocky Patel überschlägt sich mit Ideen für die Zukunft: neue Fabrik, mehr Farmen, noch mehr
Burn-Lounges … aber damit nicht genug. Er experimentiert zurzeit intensiv mit Whisky und Champagner. Ein Blended Whisky und ein Single Barrel Scotch sind schon weit gediehen und fast fertig zur Abfüllung – natürlich unter dem Markendach Rocky Patel; die Trademarks sind bereits registriert. Auch sein Einstieg in die Cigar Smoking World Championship unterstreicht sein Bemühen um neue Marketingstrategien, neue Märkte, neue Konsumenten und Freunde (siehe auch S. 96/97). Vergessen wir nicht, dass er vor 25 Jahren mit gerade einmal 150.000 Zigarren begonnen hat. Rocky Patel kleckert nicht, er klotzt.

 

www.rockypatel.com

 

Copyright Fotos: Rocky Patel Cigars, Mammoth Studio/Justin Sicard

His journalistic career began in 1979 as a freelancer for German-language newspapers in the US, and later for Austrian media including Die Wochenpresse and Das Wirtschaftsblatt. For ten years he also produced programs for over 60 radio stations around the world. In 1994, Reinhold C. Widmayer devoted himself to all things cigar, publishing technical articles in cigar magazines. He began working for Cigar Journal in 2001 and became editor-in-chief in 2005; under his auspices the journal has established itself as the world’s leading cigar magazine.


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