Es war im November oder Dezember 1995 … Rocky Patel reiste nach Honduras, um Ausschau nach einem Hersteller zu halten, der für ihn Zigarren produzieren würde. Rocky war damals ein gefragter Anwalt in der Entertainment-Branche Hollywoods; zu seinen Klienten zählten Stars wie Arnold Schwarzenegger und Gene Hackman. Er führte ein gutes Leben; die Zigarre zwischen den Aufnahmen am Filmgelände stand auf der Tagesordnung. Abends paffte Rocky für gewöhnlich im Grand Havana Room, dem Epizentrum der Zigarrenkultur in Los Angeles. Doch so angenehm sein Leben auch gewesen sein mag, Rocky spielte mit dem Gedanken, seinen Job als Anwalt an den Nagel zu hängen, um seiner Leidenschaft für die Genuss-Seite des Lebens nachzugehen. Zum Glück entschied er sich für Zigarren anstatt für Wein oder Kulinarik – beide letztgenannten betreibt er geradezu semiprofessionell.
DIE GEBURTSSTUNDE VON INDIAN TABAC
Die Reise nach Honduras mündete in eine Geschäftsbeziehung mit Honduras Cuba Tobacco, jenem Unternehmen, das später seine ersten Indian Tabac-Zigarren herstellen würde. „Während des Booms war es einfach, Zigarren zu verkaufen“, meint Rocky heute im Rückblick. Als die Nachfrage ihren Höhepunkt erreichte, kreierte er die Indian Tabac Super Fuerte, deren Produktion er aber nicht Honduras Cuba Tobacco überließ, er vergab sie an Nestor Plasencia in dessen honduranischer Fabrik El Paraiso. Übrigens: Die Beziehung zur Familie Plasencia hat sich über zwölf Jahre gedeihlich entfaltet und besteht bis heute. „Die Plasencias verfügten damals über große Mengen an Tabak“, erinnert er sich an seinen strategischen Plan. „1998 war die Nachfrage nach Zigarren derart hoch, dass die verschiedenen Hersteller heftig um die besten Tabakbestände kämpften.“ Also suchte Rocky den Kontakt zu jener Familie, die den meisten Tabak in der Region anbaute – die Plasencias – und schloss sich mit ihnen zusammen. „Damals waren die Plasencias zwar wichtige Tabakbauern, aber sie stellten nur wenige hochqualitative Zigarren her“, rekapituliert Rocky. „Meine Idee war es, mit ihnen Zigarren zu produzieren, auf die sie stolz sein konnten. Ich dachte mir: Wenn sie gute Zigarren für mich rollen, dann wäre das eine gute Referenz für sie und würde ihrem Business helfen.“ Selbstverständlich würde auch Rocky selbst von der Produktion guter Zigarren profitieren.
JAHRE DES WACHSTUMS
Das Konzept ging auf. Im Jahr 1998 verlegte Rocky die Produktion der Indian Tabac-Zigarren – und nicht nur der Super Fuerte – in die Plasencia-Manufaktur. Im selben Jahr setzte er Zigarren im Wert von 400.000 US-Dollar um, und der Absatz stieg kontinuierlich (1999 auf 600.000, 2000 auf 1,2 Mio. und 2001 auf 1,8 Mio.). Den Zuwachs verbuchte er, obwohl der Gesamtabsatz an Zigarren in den Vereinigten Staaten rückläufig war. Der Erfolg habe ihm „viele Paar Schuhe“ gekostet, meint Rocky heute scherzend. Er verbrachte nicht nur etliche Monate im Jahr in den Fabriken und auf den Feldern von Honduras, sondern besuchte gleichzeitig auch hunderte Zigarrenhändler. Er war oft wochen- und monatelang unterwegs, um Smokeshops zu besuchen und Menschen davon zu überzeugen, seine Zigarren zu probieren. Seine Bemühungen machten sich bezahlt, doch das war erst der Beginn des Unternehmens. In den Jahren 2001–2002 brachte die Firma eine weitere neue Zigarrenlinie auf den Markt – die Rocky Patel Vintage mit Tabak des Erntejahres 1990 aus dem Bestand der ums Überleben kämpfenden Holdinggesellschaft UST Inc. Das enorme Interesse an diesen Zigarren verhalf RP im Jahr 2002 zu einer Umsatzsteigerung auf 2,5 Millionen US-Dollar.
AUFBAU DER BRUDERSCHAFT
Das Unternehmen hatte nunmehr eine Größe erreicht, die eine entsprechende Infrastruktur benötigte. Patel baute Zug um Zug ein Team von Verkäufern, Händlern, Büro- und Lagerhausmitarbeitern zusammen, wobei das Schlüsselpersonal stets aus dem Freundes- und Familienkreis rekrutiert wurde. Diese Personalpolitik wird noch heute deutlich – das Headquarter des Unternehmens vermittelt eher den Eindruck einer koedukativen Bruderschaft als den einer Firma. Jugendliche Energie bestimmt das geschäftliche Treiben in der Rocky Patel Premium Cigar Company, die heute in einem beschaulichen Gewerbepark im wunderschönen Naples im Bundesstaat Florida gelegen ist. Innerhalb des Betriebes trifft man auf schillernde Charaktere. In den Gängen wird über die Verdienste verschiedener Social Media-Plattformen diskutiert, über Vor- und Nachteile des Fair Tax-Steuerkonzepts und oft hört man Anmerkungen über Nish Patels (Nish ist Rocky Patels Bruder) modische Schuhe. Man sollte sich von diesem lockeren Milieu nicht täuschen lassen – das Hauptaugenmerk aller ist aufs Business gerichtet. Irgendwie mündet jedes Gespräch schließlich wieder im Zigarrengeschäft. Rocky erklärt: „Ich stelle lieber Leute ein, denen ich vertraue und die eine Leidenschaft für Zigarren haben. Wenn sie keine Erfahrung in dieser Art von Job haben, dann werde ich ihnen das schon beibringen, aber sie müssen eine Leidenschaft für Zigarren haben. Als ich diese Firma gründete, musste ich alles selbst erledigen, und somit bin ich nun in der Lage, Mitarbeiter in allen Bereichen einzuschulen.“
EIN KLEINES HOLLYWOOD
Rocky hat Hollywood nicht ganz den Rücken gekehrt, sondern ein wenig Glamour und audiovisuelle Technologien nach Naples, Florida, mitgenommen. So verfügt die Marketingabteilung über ihre eigene Audio/Video-Suite samt Blue Box. Bei einem Besuch auf www.rockypatel.com ist es hör- und sichtbar: „Hi, ich bin Rocky Patel und heiße Sie auf unserer Website willkommen. Ich kann Ihnen versichern, dass niemand härter daran arbeitet als wir, um Ihnen hochqualitative Zigarren zu liefern.“ Rocky taucht auf magische Weise aus den Tabakplantagen auf dem Monitor auf und spricht zu einem. All das wurde im eigenen Studio gedreht, weitere Videos sind in Arbeit. Im Bereich Audio hat die kreative Gang mit einem firmeneigenen Podcast begonnen. Fans werden bald wöchentlich via Internet an den einfallsreichen Eskapaden innerhalb der Rocky Patel Premium Cigar Company teilhaben können. Das Team besteht aus einem souveränen Hollywood-Produzenten, einem schlagfertigen Moderator und einem Otto Normalver(b)raucher, den welterfahrenen Patel-Brüdern und einer Reihe von regelmäßig wiederkehrenden Besuchern aus allen möglichen Bereichen des Unternehmens. Rocky plant – auch von unterwegs – bei jedem Podcast dabei zu sein, selbst wenn es nur für ein paar Minuten ist. Die Chemie der Gruppe stimmt, sie kommt über den Äther gut rüber und die ganze Sache ist als verrücktes Radioerlebnis angelegt. Neben Internet-Inhalten haben die Burschen fleißig an einer DVD gearbeitet, mit der unsere europäischen Leser gut vertraut sind. All dies sind Teile einer globalen Strategie, um die Rocky Patel Premium Cigar Company (RPPCC) in eine Lifestyle-Company zu verwandeln.
DER WEG ZU EINER LIFESTYLE-MARKE
Rockys Familie – man kann sie genauso gut als eingeschworene Bruderschaft bezeichnen – hat seit nunmehr fast fünfzehn Jahren Zigarrenhits am laufend Band produziert. Die Gang lebt praktisch zusammen und redet stets über Zigarren. Sie verbringen Feiertage in den Häusern jeweils anderer Mitarbeiter. Und ob Rocky nun bei sich zu Hause kocht oder die beiden Brüder im Haus eines Angestellten zu Gast sind und Domino spielen, sie verbringen alle Zeit miteinander. Sie haben einen Lifestyle geschaffen – den „brüderlichen Orden der Rocky Patel Cigarren“, der exquisite Zigarren, Reisen, Getränke und Kameradschaft mit jugendlichem Enthusiasmus kombiniert. Nun, da sein Zigarrenportfolio so viele Hits, darunter die RP Edge, RP Decade, RP Sungrown, RP Vintage 1990 und 1992, enthält – die Liste nimmt nahezu kein Ende – weitet Rocky sein Produktportfolio aus. Abseits von, aber in Verbindung mit Zigarren.
BURN
Die erste Burn Lounge wurde erst vor kurzem in Naples, Florida, eröffnet. Wenn man sie betritt, fühlt man sich in ein Domizil aus dem alten Havanna zurückversetzt. Die Wände scheinen in schlechtem Zustand zu sein, aber es erscheint alles trotzdem irgendwie luxuriös. Man sitzt in einem Eierschalen-Stuhl, ist von Gewölben umgeben und der Himmel scheint sich direkt über einem auszubreiten. Im Humidor befindet sich jede Rocky Patel-Zigarre, die man sich nur wünschen kann, aber auch exklusive Zigarren von Fuente, Ashton, Padrón, Litto Gomez und anderen sind zu haben. Burn Lounge ist ein Konzept, von dem sich Rocky erhofft, dass es sich zunächst über die gesamten USA und danach die ganze Welt ausrollen wird. Seine Idee dahinter ist es, einen gemütlichen Ort zu schaffen, wo man Zigarren genießen kann. Das Leitmotiv ist auf Zigarren bezogen, aber nicht im typischen britischen Bibliothekstil. Rocky hat besonderes Augenmerk auf die Bar gerichtet, wo er stolz frische Früchte in Cocktails, garniert mit frischen Kräutern, präsentiert. Dieser Fünf-Sterne-Service wird gewiss viele Connaisseurs des guten Lebens für sich gewinnen. Während die erste Lounge in Naples bereits in Betrieb ist, arbeitet Rocky im Moment an drei weiteren Standorten und führt außerdem Gespräche mit einer nationalen Hotelkette hinsichtlich der Einrichtung von „Mini- Burns“ in deren angesehenen Räumlichkeiten.
LIFESTYLE-PRODUKTE
Enthusiasten brauchen mehr als nur Zigarren und einen Ort, um sie zu rauchen. In diesem Sinn haben die Burschen der Rocky Patel Company eine Reihe von Produkten zur Ergänzung dieses Lifestyles geschaffen. Seit mehreren Jahren wird eine Bekleidungslinie entwickelt, die größtenteils Shirts im legeren Stil von Tommy Bahama, aber mit kubanischem Touch umfasst. Die extrem hochqualitativen Guyaberas (kubanische Hemden mit vielen Taschen) und bequemen Beach Shirts sind mit detailreichen Borten versehen und in verschiedenen Farben erhältlich, die es einem ermöglichen, sie überall zu tragen. Wer ein RP-Hemd trägt, muss auch gut duften, und deshalb hat Rocky begonnen, ein Männerparfum zu entwickeln. „Nein, es wird nicht nach Zigarren riechen“, meint er lachend, „aber wir werden auf einige Geschmacksrichtungen zurückgreifen, die mit Zigarren assoziiert werden, wie zum Beispiel Gewürze, Holz etc.“ Hat man einmal eine gute Zigarre, ein schönes Hemd, ein tolles Parfum und eine Oase zum Rauchen, dann fehlt nur noch ein köstliches Getränk. Rocky wird uns bald auch mit letzterem versorgen, denn er ist dabei, seinen eigenen Rocky Patel-Rum herzustellen. Zum Zeitpunkt, als dieser Artikel verfasst wurde, waren nur wenige Details über diesen Rum bekannt. Rocky ist mit mehreren Brennereien im Gespräch, darunter der guatemalischen Destillerie, die Ron Zacapa produziert. Rocky verriet dem ECJ, dass es sich um Rum höchster Qualität handeln werde. „Er wird einer der besten der Welt sein“, meint er. „Ich möchte, dass er viel Würze, aber auch Nuss-, Karamell-, Kirsch-, Pfeffer- und andere Aromen hat.“
15 JAHRE UND KEIN ENDE IN SICHT
Rocky zählt eindeutig nicht zu jenen, die stillsitzen und sich auf ihren Lorbeeren ausruhen. Die Topbewertungen seiner Decade-Zigarre in diesem Magazin (mit der Cigar Trophy 2009) scheinen offensichtlich nicht genug zu sein. Im Juli wird er eine neue Zigarre mit dem Namen Rocky Patel 15th Anniversary herausbringen. Es ist eine außerordentliche Zigarre von großartigem Geschmack und sanfter Rauchfülle. Sie schmeckt ein wenig wie ein Variante seines geplanten Rums. Vielleicht ist das ja auch kein Zufall. Es wird zwei Versionen der Zigarren geben – eine für den europäischen und eine für den amerikanischen Markt. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die US-Version als Box pressed geformt sein wird. Die Rocky Patel Premium Cigar Company ist ohne Zweifel ein Unternehmen, das man im Auge behalten sollte. Bequemerweise macht sie das durch ihre Internetinhalte leichter denn je. Interessant ist jedoch die Tatsache, dass es sich um eine Firma handelt, die quasi greifbar ist: Mit Burn Lounges, Lifestyle-Produkten und einer Mannschaft aus vielen einprägsamen Charakteren ist die RPPCC immer da anzutreffen, wo wir gerade sind.
Dieser Artikel wurde in der Cigar Journal Sommer – Ausgabe 2010 veröffentlicht. Mehr