Matilde Serena Toro Bravo

    Bei Zigarren mit einem Connecticut-Deckblatt scheiden sich die Geister. Es gibt Passionados, die diesen Tabak partout nicht leiden können. Wieder andere lieben die Cremigkeit, die gelungenen Kreationen innewohnt. Und eines ist ebenfalls unbestritten: Es ist ein Tabak, der vielen Zigarren als Deckblatt dient, die weltweit den Anfängern empfohlen werden. Es gibt sicherlich Zigarren, die von vielen gerne als „Warme-Luft-Zigarren“ beschrieben werden, doch lassen Sie mich gleich zu Beginn etwas klarstellen: Unsere heutige Zigarre gehört definitiv nicht dazu.

    Und damit herzlich willkommen in unserem literarischen Rauchsalon. Es freut mich, dass Sie den Weg zu uns gefunden haben und sich etwas Zeit reserviert haben. Machen Sie es sich gemütlich. Wir haben ungefähr zwei Stunden Genuss vor uns, und ich werde mir wie immer die größte Mühe geben, als Ihr Reiseführer durch die Nebelschwaden zu fungieren.

    Das Deckblatt der Matilde Serena Toro Bravo fällt einem sofort ins Auge: Es ist hell, seidig und fühlt sich unglaublich geschmeidig an. Bereits in kaltem Zustand verströmt es eine unglaubliche Fruchtigkeit, die Lust auf die ersten Züge macht. Doch zunächst sehen wir uns das Erscheinungsbild und die interessante Anilla an. Mittlerweile weiß ich, dass sich ob des Designs der Marke die Geister scheiden. Ich für meinen Teil bin ein Fan davon. Die schlichten Kisten – im Falle der Serena – in einem zarten Grün, wenn nicht sogar Türkis gehalten und mit einem Logo, das definitiv auch an den Wiener Jugendstil erinnert, wirken auf mich sehr elegant und gleichzeitig zeitlos sowie zeitgemäß.

    Der Cut ist schnell gemacht und das Brandopfer dargebracht. Die ersten Züge sind sehr mild und Sie werden sofort bemerken, dass hier jemand sein Handwerk besonders feinfühlig versteht, auszuführen. Die Zigarre vermittelt eine unglaubliche Süße in einem sehr leichten, aber dennoch perfekten Zug. Kaffee ist möglicherweise eine zu starke Begleitung. Die Zigarre ist cremig, beinah buttrig. Als Begleitung empfehle ich eine leichte Zitronenlimonade mit möglichst wenig Zucker, doch auch ein Holunderblütensaft sollte den Zweck erfüllen. Wer es klassischer haben möchte, greift zu einer schönen Tasse Tee mit einem Tropfen Milch. Lehnen Sie sich zurück und genießen Sie diese Zigarre auf alle Fälle retronasal, denn so offenbart sich ein Unterton, der die ganze Zeit über präsent sein wird. Es handelt sich um eine unglaublich schmackhafte Honignote.

    Unter den kubanischen Zigarren gibt es eine Zigarre, die berühmt für ihre Honignoten ist: Quai d’Orsay. Die Honignote der Matilde Serena wirkt auf mich, als hätte man eine Quai d’Orsay genommen, sie fünf Jahre reifen lassen und ausschließlich den Honiggeschmack in eine dominikanische Zigarre importiert. Was meinen Sie? Schmecken Sie den Honig?

    Legen Sie die Zigarre kurz in den Aschenbecher. Gönnen Sie sich und der karibischen Schönheit eine kleine Pause. Wenn Sie Musik hören wollen, empfehle ich leichte, jazzige Klänge – vielleicht Autumn Leaves von Eric Clapton oder ein Album von Chet Baker. Nach ein bis drei Minuten greifen Sie wieder zur Zigarre. Jetzt, wo sie ein wenig abgekühlt ist, nimmt die Reise der Aromen wieder volle Fahrt auf. Es ist unglaublich, wie eine verhältnismäßig milde Zigarre so eine unglaubliche Dichte an Aromen aufweisen kann.

    Am Beginn des zweiten Drittels gesellt sich zum Aromenspektrum ein gänzlich neuer Geschmack. Ein Geschmack, der mich an Afternoon Tea erinnert, vielleicht sogar ein wenig an Bergamotte. Dieses Aroma passt perfekt zur Honigsüße. Es ist eine unglaublich weiche Kreation, die wir hier genießen dürfen. Die Cremigkeit des Connecticut-Tabaks ist stetig präsent, drängt sich jedoch nicht in den Vordergrund, und wenn man bedächtig raucht, entwickelt die Matilde Serena auch keine Bitterkeit, die viele Passionados beim Wort Connecticut fürchten. 

    Nehmen Sie sich an dieser Stelle wieder ein wenig Zeit für eine kurze Unterbrechung. Kleinere Pausen tun der Zigarre auf alle Fälle gut. Es ist immer ratsam, Zigarren mit einem Connecticut-Deckblatt langsamer zu rauchen, das gilt auch generell für mildere Zigarren. Befeuchten Sie Ihren Mundraum, gönnen Sie sich einen kräftigen Schluck von einem Getränk Ihrer Wahl, und lehnen Sie sich zurück. Wir haben Zeit und keinen Grund, durch den Genuss einer Zigarre zu hetzen.

    Wenn Sie die Zigarre wieder aufnehmen, werden Sie überrascht sein. Denn nach dieser kurzen Pause gesellen sich zarte Noten von frischen Wiesenkräutern im Duett mit Zitrusfrüchten in den Rauch. Nein, die Zigarre wirkt nicht sauer. Keine Sorge, Sie müssen nicht degasieren. Es ist nur der Anklang einer unterschwelligen Fruchtigkeit, die sich herrlich in den Rauch einbettet und die Cremigkeit und Süße der Zigarre hebt. Es wirkt wie der Biss in eine Erdbeere, die man zum Champagner genießt. Bevor das letzte Drittel beginnt, nehmen Sie nochmals alle Aromen bewusst wahr. Zuerst spürt man die Süße auf der Zungenspitze, danach breitet sich die Cremigkeit im Mundraum aus, kitzelt den Gaumen und schmiegt sich sanft an die Backen. Dann kommt das Honigaroma, gepaart mit Bergamotte und einigen Kräutern. Anschließend folgt etwas Holz und unbemerkt im Hintergrund, ganz dezent, schwingt ein Hauch von Limette im Rauch mit. Nach dem Ausblasen hat die Matilde Serena einen unglaublich langen Abgang von Zeder und hellem Schwarztee. Eine herrliche Kreation.

    Legen Sie nun eine letzte Pause ein. Benetzen Sie Ihren Gaumen. Hier gibt es einen kritischen Punkt: Wer zu hastig ist, der erntet etwas Bitterkeit. Wer sich beherzt die rechte Zeit nimmt, wird belohnt. Oft werden Zigarren im letzten Drittel süßer, dafür nimmt in der Regel die Cremigkeit etwas ab. Interessanterweise verhält es sich hier genau umgekehrt.

    Greifen Sie wieder zur Zigarre und genießen Sie den Schlussakt, der fulminanter nicht sein könnte. Es dominiert die absolute Cremigkeit, ein Hauch von Zimt trifft auf die vertraute Honignote, doch die Süße ist beinahe komplett verschwunden. Es bleibt ein Hauch von Bergamotte, etwas Salz und eine kaum merkliche Nuance von Zedernholz und Nuss, die die Zunge umspielen.

    Erst gegen Ende der Zigarre wird einem bewusst, dass diese zwar unglaublich reich an Geschmack, jedoch nicht an Nikotin ist. Denn der Rauch der einem manchmal auch etwas angenehm zu Kopf steigt, ist hier mild und bekömmlich wie ein langer Sonntagmorgen mit einem schier endlosen Frühstück. Ja, die Matilde Serena Toro Bravo ist mild und bekömmlich und dabei doch so komplex. Genau das ist es, was eine meisterhafte Zigarre ausmacht.

    Zigarrenraucher werden oft von (Noch-)Nichtrauchern nach einer ersten Zigarre gefragt. Die Matilde Serena ist der perfekte Tipp. Und für den versierten Raucher ist sie die perfekte erste Zigarre des Tages, oder auch eine sanfte Begleitung nach einem Brunch, vielleicht während der ersten Herbsttage im Sonnenschein, dem eine leichte Kühle innewohnt.

    Klaus Hruby learned his trade as a journalist at a young age and published articles in various media such as Die Zeit, Der Falter, as well as in renowned literature competitions in German-speaking countries. His love for cigars was ignited during his apprenticeship; his great-grandfather still owned a tobacco field. Klaus Hruby has been writing Austria’s biggest cigar blog, www.derblauedunst.com, since 2014.


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