Litto Gomez und seine Frau Ines Lorenzo Gomez haben 1994 den Sprung ins Zigarrengeschäft gewagt – ohne Erfahrung. Heute zählt La Flor Dominicana zu den höchst angesehenen Marken.
Ein Fußballmatch gemeinsam mit Freunden und mit einer guten Zigarre ist für viele sportbegeisterte Passionados a priori ein Hochgenuss. Litto Gomez hingegen stürzt so manche Begegnung bestimmter Mannschaften ins Dilemma: „Spanien gegen Uruguay, das bringt mich wirklich in Verlegenheit“, lacht er. Im spanischen Galicien als Sohn eines Portugiesen geboren, wuchs Litto in Uruguay auf. „Das sind alles große Fußballnationen. Wenn die gegeneinander antreten, ist das wie Sprengstoff für mein Herz.“ Seine Liebe zu Spanien ist tief verwurzelt, bei spanischer Musik und spanischem Essen bekommt er Gänsehaut.
Ich bin für jede Stunde dankbar, die ich in der Dominikanischen Republik verbringen und mich meiner Leidenschaft, dem Tabak, widmen darf.
„Mein Blut ist spanisch, ich empfinde aber auch große Zuneigung für Uruguay, wo ich meine Kindheit verbracht habe. Für jeden ist das doch die glücklichste Zeit, oder?“
An die erste Zigarre seines Lebens erinnert sich Litto Gomez genau: es war 1975. Gemeinsam mit seinem Bruder José war er zwei Jahre zuvor nach Toronto ausgewandert und verdiente seinen Lebensunterhalt als Hilfskraft in einem Restaurant. „Wir hatten einen harten Abend … zu wenig Personal … volles Haus. Ich musste als Kellner einspringen, was mich sehr nervös machte, weil ich kaum ein Wort Englisch sprach. Aber es ging alles gut, und nachdem der letzte Gast zufrieden das Lokal verlassen hatte, feierten wir. Der Barkeeper schenkte mir eine Montecristo No. 2. Die rauchte ich am Weg nach Hause durch den Schnee – was für ein Erlebnis!“
Die Pistole im Nacken
Nach fünf langen kanadischen Wintern war die Zeit reif für einen Klimawechsel. Die Brüder machten sich auf nach Florida, wo sie zunächst mit Spirituosen handelten und dann ein Pfandgeschäft eröffneten. Für Schmuck und Gold entwickelte Litto Gomez große Begeisterung, und er eignete sich das nötige Wissen an, um schließlich erfolgreich einen Juwelierladen in North Miami Beach zu betreiben.
Dieses Kapitel seines Lebens endete allerdings schlagartig – mit einer Pistole in seinem Nacken. Die beiden Räuber wurden nie gefasst, der erbeutete Schmuck im Wert von 400.000 Dollar nie gefunden.
„So ein Schicksalsschlag kann dem Leben eine jähe Änderung aufzwingen, aber auch neue Türen und Perspektiven öffnen. So war es bei mir. Ich fand erst dadurch meine Berufung zum Zigarrenhersteller. Und heute bin ich für jede Stunde dankbar, die ich in der Dominikanischen Republik verbringen und mich meiner Leidenschaft, dem Tabak, widmen darf.“
Internationaler Durchbruch
Litto Gomez und Ines Lorenzo Gomez sind stolz darauf, was sie in den 19 Jahren seit dem Raubüberfall gemeinsam geschaffen haben. Ihre Marke La Flor Dominicana (LFD) zählt zu den höchst angesehenen in der Branche und ist auf dem besten Weg, auch auf den internationalen Märkten zu reüssieren.
Deutschland war das erste Exportland für LFD. Vertriebspartner Philipp Schuster verkauft Littos Zigarren seit 1996 und „mit zunehmender Begeisterung“, wie er sagt. „Zigarren von La Flor Dominicana stehen für einen kräftigen, vollwürzigen Rauchgenuss, wie er von passionierten Genießern heute bevorzugt wird.
Litto hat über Jahre hinweg Zigarren auf höchstem Niveau produziert; ich sage der Marke eine große Zukunft voraus.“ Auch im Zürcher Tabak-Lädeli gehen die Zigarren der LFD-Serie Ligero Cabinet Oscuro Natural immer öfter über den Ladentisch. Inhaber René Wagner, der für seine bisweilen kompromisslos kritische Haltung bekannt ist, sagt ohne Umschweife: „Eine dominikanische Zigarre, die nicht nach Domingo schmeckt. Sie ist einfach nur gut.“
Seit Litto Gomez im Vorjahr auf der Messe Inter-tabac in Dortmund ausstellte, treffen immer mehr Bestellungen aus immer mehr Ländern ein: Holland, Frankreich, Belgien, Polen … „Es geht rasant vorwärts“, zeigt sich der sportliche, gertenschlanke Zigarrenfabrikant zuversichtlich. „Ich besuchte vor kurzem Belgien und war beeindruckt vom Wissen und von der Aufgeschlossenheit vor allem der jüngeren Zigarrenliebhaber. Etliche von ihnen – und das war sehr überraschend für mich – kannten unsere Zigarren. Wir haben lange und angeregt über Geschmack geplaudert, darüber lässt sich ja bekanntlich gut diskutieren.“ In zwei Jahren möchten Ines und Litto mit ihrer Marke in allen wichtigen Märkten weltweit vertreten sein.
Der grosse Zigarren-Boom
Manche Zigarrenproduzenten blicken auf eine Familientradition von mehreren Generationen im Tabak zurück, während Litto und Ines 1994 den Sprung ins kalte Wasser wagten, ohne jemals Erfahrung in der Branche gesammelt zu haben. „Wir mussten alles erst von der Pike auf lernen“, erinnert sich Litto. „Das war nicht immer leicht. Wir haben bestimmt mehr als 50.000 Zigarren vernichtet, bevor wir ein einziges Stück verkauften.“ Eine große Stütze und immer mit Rat und Tat zur Stelle war Cigar Master Jochy Blanco, den Litto als seinen brüderlichen Freund bezeichnet. Blanco schickte an Samstagen sogar seine eigenen Supervisoren, um Littos Mitarbeiter zu schulen.
Den einen oder anderen Insider-Tipp holte sich Litto Gomez auch bei diversen geselligen Zusammenkünften der Produzenten. Während diese einander mit Fachwissen und Kenntnissen übertrumpften, saugte er begierig die neuen Informationen auf. Seine Zigarren, die er in den ersten beiden Jahren noch Los Libertadores nannte, waren mild, blass und eher fad, eben typische dominikanische Zigarren der damaligen Zeit. Das sollte sich aber bald grundlegend ändern …
Eine zusätzliche Herausforderung stellte sich zu jener Zeit mit dem einsetzenden Zigarren-Boom, als plötzlich Leute mit Taschen voll Bargeld aufkreuzten und Top Dollars für jede Tabakqualität zahlten. Litto und Ines beschäftigten damals 14 Roller. Quasi über Nacht öffneten in der Nachbarschaft neue Fabriken mit bis zu 70 Zigarrenrollern. „Es war grimmig“, erinnert sich Ines. „Dankenswerter Weise hat uns unser Zulieferer nicht ausgebootet; wir waren ja praktisch dem freien Spiel der Kräfte ausgeliefert.“ Seit 1997 kultiviert La Flor Dominicana eigenen Tabak auf einer wunderbaren Finca in La Canela, während die Manufaktur schon seit 1996 in Tamboril angesiedelt ist.
Das Geheimnis der Tabake und Blends
Der Erwerb der Farm in La Canela, nordwestlich von Santiago de los Caballeros, legte den Grundstein für die Kultivierung der für La Flor Dominicana so typischen Tabake. Auf der Suche nach vollaromatischen, kräftigeren Blends bereiste Litto Gomez die Zigarrenländer Mittelamerikas und kam zu dem Schluss, dass seine spezifischen Vorstellungen mit jenen Tabaken, die auf dem freien Markt in der Dominikanischen Republik damals angeboten wurden, nicht umzusetzen waren.
„Die Böden in der Dominikanischen Republik sind erstklassig. Mir wurde aber klar, dass man den Tabak anders kultivieren und verarbeiten müsste, um zu den Ergebnissen zu kommen, die mir vorschwebten“, sagt Litto, zieht an seiner Zigarre und bläst den Rauch nachdenklich in die Luft. „Der einzige Weg war also, selbst Tabak zu produzieren. Das war die beste Entscheidung, die wir je getroffen haben.“
La Flor Dominicana – Portfolio 2013 (eine Auswahl)
Piloto Cubano ist damals wie heute Litto Gomez’ Favorit. „Er enthält reichlich Säure und Öle, was ihn sehr würzig macht.“ Daneben kultiviert er unter anderem Criollo und seit drei Jahren auch Pelo de Oro, was so viel heißt wie Goldenes Haar. Zusammen mit den Zukäufen (vorwiegend aus Nicaragua und Ecuador) hat er damit eine große Bandbreite für unterschiedliche Blends zur Verfügung. Der Großteil der von La Flor Dominicana verarbeiteten Tabake stammt von der eigenen Farm, nämlich rund 70 Prozent. Sie machen letztlich das unverwechselbare Geschmacksprofil und damit die Identität der Marke aus.
Und was ist nun tatsächlich das Geheimnis seines Tabaks? Litto lacht, schüttelt den Kopf und gibt höflicherweise zumindest eines preis: „Es geht darum, Opfer beim Ertrag zu bringen. Wenn du sechs Pflanzen pro Quadratmeter aussetzt, ist das Ergebnis ein anderes, als wenn du nur drei pflanzt. Und wenn du von den 16 Blättern einer Pflanze sechs frühzeitig entfernst, bekommen die restlichen mehr Nährstoffe. Als Tabakbauer stehst du vor der Entscheidung: will ich eine Menge Tabak oder will ich den besten Tabak.“ Littos Agronom war mit dieser Philosophie anfangs wenig glücklich. Während seines ganzen Berufslebens war es sein Ziel gewesen, den Ertrag zu optimieren, bis Litto ihm klar zu verstehen gab: „Wir produzieren den Tabak nicht, um ihn zu verkaufen. Der wächst ausschließlich für unsere Zigarren, also brauchen wir das Beste, was der Boden hergibt.“ Von ausschlaggebender Bedeutung ist für den Produzenten auch, dass jeder Arbeitsschritt, den die Pflanze verlangt, zum genau richtigen Zeitpunkt gesetzt wird. „Das macht ungeheuer viel Arbeit, aber die lohnt sich am Schluss“, plaudert er aus der Schule.
Die einzigartigen Innovationen
Die Markenfamilie La Flor Dominicana besteht aus einer Vielzahl von unterschiedlich geblendeten Serien. Die erste Kreation war die so genannte Premium Line, eine Zigarre mit Connecticut Shade-Deckblatt und dominikanischen Tabaken. Es folgten die LFD 2000 Series mit einem Deckblatt aus Cameroon und dominikanischen Tabaken, die Serien Ligero und Double Ligero mit Ecuador-Deckblatt und schließlich Air Bender mit dem Deckblatt aus Nicaragua.
Wirklich innovativ sind aber zwei Formate, oder besser Zigarrenformen, deren Entwicklung sich Litto auf die Fahnen heften kann. Zumindest in Europa ist es nicht so bekannt, dass sowohl die so genannte „El Jocko“ als auch die „Chisel“ [deutsch: Meißel] Erfindungen von Litto Gomez sind. Die Jocko ist eine kegelförmige Zigarre mit einem dünnen, abgerundeten Kopfende, die zum Bauch hin immer fetter wird und schließlich in einem etwas weniger dicken Fuß endet. Sie kam 1997 auf den Markt und trug in den USA erheblich zur Bekanntheit der Marke La Flor Dominicana bei.
Während die Jocko bewusst so konstruiert wurde, war die Chisel – übrigens die erste Zigarrenform, die jemals patentiert wurde – eher ein Zufallsprodukt. Sie weist einen keilförmigen Kopf auf, eben wie ein Meißel. Litto: „Ich ritt durch die Finca und kaute gemütlich an meiner Zigarre. Als ich abstieg, schaute ich die Zigarre an und dachte: wow, sieht die aber interessant aus. Sie fühlte sich auch recht angenehm an im Mund.“ Zehn Monate später war die erste Chisel-Produktion fertig, die Patenturkunde dafür ließ hingegen vier Jahre auf sich warten. Heute produziert das Unternehmen fast 300.000 Chisels pro Jahr. Neuerdings werden sie zumindest in der neuen Zigarrenlinie Oro auch in attraktiven Alu-Tuben angeboten, die allein wegen ihrer Form schon echte Hingucker sind.
Kompromisslose Qualität
Wenn es um die Integrität der Marke La Flor Dominicana geht, gehen Ines und Litto keine Kompromisse ein. Das trifft auf die Produktion ebenso zu wie auf die Distribution ihrer Marke. Es war und ist ihnen stets wichtig, mit den besten Fachhändlern [brick & mortar retailer] zusammenzuarbeiten. Und nie würden sie Zigarren in Umlauf bringen, die in irgendeiner Weise von der gewohnten Qualität abweichen.
Wir wollen einen Namen aufbauen und nicht unser Bankkonto.
So mancher Fachhändler und Konsument wird sich vielleicht noch daran erinnern, als es zum Jahresbeginn 2010 Lieferschwierigkeiten bei LFD Maduros gab. Der Grund lag schlicht darin, dass die Deckblätter in Littos Augen zu hell geraten waren.
Vier Monate lang lieferte er keine dieser populären Zigarren aus. „Wir sind ein kleines Unternehmen“, gibt sich Litto Gomez bescheiden, „und mir ist es nicht wichtig, rasch zu wachsen. Ines und ich formen dieses Unternehmen für unsere Kinder. Wir wollen einen Namen aufbauen und nicht unser Bankkonto.“
Gut aufgestellt
La Flor Dominicana produziert heute mit insgesamt rund 400 Mitarbeitern – davon 68 Zigarrenroller – an die vier Millionen Stück Zigarren pro Jahr. Seit Jahresbeginn 2013 übernimmt Littos ältester Sohn Antonio Zug um Zug mehr Verantwortung in der Manufaktur. Die eigene Farm in La Canela umfasst rund 95 Hektar Kulturland (235 acres).
La Flor Dominicana – Portfolio 2013 (eine Auswahl)
Dieser Artikel wurde in der Cigar Journal Frühjahres-Ausgabe 2013 veröffentlicht. Mehr