An einem schönen Februarmorgen traf ich in Havanna bei einer guten Zigarre zufällig einen Freund aus Italien. Nach einer Weile fragte er mich, ob ich Eduardo Rivera
Irizarri, einen Mann, der untrennbar mit der Geschichte kubanischer Zigarren verbunden ist, persönlich kennenlernen wollte. Natürlich wollte ich! So kam es, dass wir uns wenige Tage später vor Rivera Irizarris Haus am Stadtrand Havannas trafen. Eduardo Rivera Irizarri war von 1966 bis 1970 Leiter der heute wohl bekanntesten Zigarrenfabrik der Welt: die Cohiba-Manufaktur El Laguito. Fidel Castro persönlich ernannte ihn zum Fabrikleiter – aber ich greife zu weit voraus, denn das ist der krönende Abschluss seiner Geschichte. Fangen wir von vorne an: Irizarris Geschichte beginnt in Palma Soriano, einer Stadt im Osten Kubas. Dort begann er bereits mit elf als Torcedor zu arbeiten. Mitte der 1950er-Jahre zog er nach Havanna, wo er einen Job in einer Fabrik namens El Faraon bekam. Der Besitzer war kein geringerer als Pérez Salazar, der in den Jahren der Revolution den Spitznamen „Chicho“ erhielt und zu Fidels Chef-Bodyguard wurde. Später arbeitete Eduardo in der Zigarren-Manufaktur Por Larrañaga in der Calle Carlos III, die damals als „la universidad de las fabricas“ (die Universität unter den Zigarren-Manufakturen) galt.
Wir lauschten seinen Erzählungen gebannt, aber irgendwann konnten wir unsere Neugierde nicht länger im Zaum halten und fragen ihn nach der Geschichte der Laguito No.1 – die Fidel Castro so heiß geliebt hat. Die Zigarren entstanden ursprünglich aus der Notwendigkeit heraus, so viele Zigarren wie möglich aus der Fabrik zu tragen. Damals war es den Torcedores nämlich gestattet, so viele Zigarren aus der Fabrik zu bringen, wie sie in die Hemdtaschen der Guayabera stecken konnten. Je dünner die Zigarre, desto mehr konnte man also in die Brusttasche packen. Rivera Irizarri erzählte uns, dass Chicho eines Tages Fidel eine seiner Zigarren anbot. Dieser war so begeistert davon, dass er diese Zigarren exklusiv für sich herstellen ließ.
Die Cohiba Lanceros gab es bereits in den 1980er-Jahren. Die Kistchen, die für Behörden und Diplomaten bestimmt waren, sahen optisch völlig anders aus als jene, die verkauft wurden
Anfang der 1960er-Jahre trat Irizarri dann in die Fuerzas Armadas Revolucionarias (Revolutionäre Streitkräfte) ein und wurde in ein Trainingscamp in Pinar del Río geschickt. In der Folge entsandte Chicho ihn nach Havanna, wo er zuerst in der Fabrik Por Larrañaga und später bei La Corona arbeitete, währenddessen aber nie aufhörte, insgeheim in seiner Wohnung jene Zigarren herzustellen, die wir heute als Laguito No.1 kennen. Fidel forderte eine immer größere Anzahl an Zigarren, da er nun auch begonnen hatte, sie bei diplomatischen Treffen seinen engsten Vertrauten anzubieten. Um dem steigenden Bedarf nachzukommen, war es also notwendig, die Produktion zu professionalisieren. 1963 wurde Rivera Irizarri zu diesem Zweck zu einer Besprechung gebeten, bei der Fidel, seine persönliche Sekretärin Celia Sánchez und Chicho anwesend waren. Auf die Frage, was er brauche, um eine kleine, dem Comandante vorbehaltene Produktion zu starten, antwortete er mit der Bitte nach geeigneten Räumlichkeiten, den notwendigen Geräten, einigen vertrauenswürdigen Torcedores, die er anlernen wollte, sowie Zugang zu den besten Tabaksorten. Celia Sánchez fragte ihn, ob nun denn Männer oder Frau- en die besseren Zigarren rollten. Darauf meinte Eduardo, dass Frauen behutsamer und genauer arbeiten. Im Handumdrehen stellte man ihm alles zur Verfügung. Die ersten Arbeiterinnen wurden von Celia persönlich unter den Töchtern und Verwandten der Revolutionäre auserkoren. Diese erste Gruppe bestand aus etwa 20 Frauen, später kamen noch weitere dazu. In jenen Monaten arbeitete Eduardo im Geheimen an der neuen Produktion und bildete gemeinsam mit Heriberto Martin „Camaguey“, einem erfahrenen und befreundeten Torcedor, die neuen Arbeiterinnen aus. 1964 wurde die reguläre Produktion aufgenommen. Hergestellt wurde ausschließlich ein Format:192×12,3|71/2×38. Es wurde erst 1966 mit der Bezeichnung Laguito No.1 in das Vitolario aufgenommen, weil man in diesem Jahr in die heutige Fabrik umzog, die eben in der Gegend von El Laguito liegt. Im selben Jahr wurden durch die Zusammenarbeit mit Camaguey die Corona Especial und die Panetelas entwickelt, die man später in Laguito No.2 bzw. Laguito No.3 umbenannte. Die Produktion wuchs von Monat zu Monat, obwohl zugleich immer mehr Zigarren abgeholt und konsumiert wurden, da ja „Fidel ein sehr großzügiger Mensch war“, so Eduardo. 1966 beliefen sich die Lagerbestände auf eine halbe Million Zigarren! Zusätzlich zu den Zigarren mussten natürlich auch die zum Transport nötigen Boxen produziert werden, die in erster Linie für Diplomaten aus dem Ausland bestimmt waren. Also kaufte man ein Gerät zur Holzbearbeitung aus Italien, und durch die Zusammenarbeit mit kubanischen Handwerkern konnten unterschiedliche Kisten und Humidore für je 25, 50 oder 100 Zigarren hergestellt werden.
Die Cohiba Diplomatico Bohio aus den späten 1960er-Jahren. Diese Humidore waren für Persönlichkeiten gedacht, die Comandante Fidel Castro besuchten
Darüber hinaus wurden auch personalisierte Ringe gefertigt, die den Namen des jeweiligen Diplomaten oder Würdenträgers trugen. Die Zigarren wurden zudem von einer weiteren Bauchbinde geziert, auf der das Wappenschild Kubas abgebildet war. Als man 1966 umzog, hatte die Produktion bereits eine bemerkenswerte Größe erreicht, vor allem für eine Fabrik, die nicht für den regulären Handel produzierte. Eduardo war sich dessen durchaus bewusst und so beschloss er, gemeinsam mit Celia
Sánchez, Chicho und Fidel, die beträchtlichen Bestände zu verkaufen. Dafür brauchte man freilich einen klingenden Namen, der Kuba würdig repräsentieren würde, sowie eine passende Bauchbinde. Der erste Namensvorschlag war Palmas – in Anlehnung an die kubanische Palma Real Autoctona, da die schlanke Zigarrenform den ranken Palmenstämmen durchaus ähnlich sieht –, er stieß aber nicht auf allzu großen Zuspruch. Wenige Tage später hatte Celia, die mit der frühen Geschichte Kubas vertraut war, den zündenden Einfall, die Zigarre „Cohiba“ zu taufen (die Bezeichnung der Taínos für die Tabakpflanze). Der Comandante betraute Celia mit der Aufgabe zu prüfen, ob der Name bereits registriert sei. Man fand heraus, dass viele Jahre zuvor zwar jemand den Namen angemeldet, diesen aber nie benutzt hatte. Somit stand der Verwendung von „Cohiba“ nichts mehr im Wege. Offiziell angemeldet wurde der Name jedoch erst 1969. Ich bin äußerst dankbar dafür, dass ich Eduardo Rivera Irizarri persönlich kennenlernen durfte. Diesem außergewöhnlichen Mann verdanken wir die Laguito No.1, eine Zigarre, die wohl wie keine andere dazu beigetragen hat, Cohiba zum prestigeträchtigsten Brand von Habanos S.A. zu machen.