Auf den Spuren des roten Diktators

Wenn man weiß, dass eine berühmte Person Zigarren raucht, fragt man sich manchmal nach ihren Gewohnheiten, also wo sie es tut, was sie raucht und warum. Willkommen in Stalins ehemaliger Heimat Georgien. 

Dimitry Gakhov genießt eine Zigarre und einen
Drink an der Bar im Havana Club

Laut dem omnipotenten Google ist Georgien berühmt für Wein, heilige Gebäude und verlassene Badehäuser aus der Zeit, als sich so­wjetische Persönlichkeiten in Schlamm und Radon­wasser entspannen wollten. Darunter auch die mäch­tigste von allen: Josef Stalin. Er wurde in der kleinen Stadt Gori, eine Stunde westlich der Hauptstadt Tiflis, geboren und hatte im alten Kurort Tskaltubo seine persönliche „Badewanne“ im Badehaus Nr. 6. 

Ein Besuch des ihm gewidmeten Museums ist na­türlich ein Muss, doch vor allem hoffe ich herauszu­finden, ob unter seinem dichten, staatsmännischen Schnurrbart neben Pfeifen vielleicht auch Zigarren zwischen seinen Lippen Platz fanden. Bevor ich mich mit den Rauchgewohnheiten von einem der brutals­ten Diktatoren der modernen Geschichte befasse, treffe ich mich mit Dimitry Gakhov im Havana Club, einer schönen Lounge samt Bar und Laden mit einem begehbaren Humidor, hoher Decke und guter Belüf­tung, in Tiflis. Er ist einer der Manager, und wir plau­dern bei einem Kaffee und einer Arturo Fuente über diese junge Zigarrennation. 

„Das Cuban Cigar House war der erste Zigarrenladen hier und wurde vor rund zehn Jahren eröffnet“, erzählt er. „Dort werden nur kubanische Zigarren ver­kauft. Anfangs befand sich das Geschäft am Rande der Stadt. Als es einige Jah­re später ins Zentrum zog, gab es auch schon das Davidoff Cigar House.“ Letzte­res ist kleiner und weniger belebt als der Havana Club, liegt aber in einer schöne­ren Gegend – in einer begrünten Seiten­straße statt hinter Hochhäusern in einer Einkaufsstraße an einer Durchgangsrou­te mit ziemlich viel Verkehr. Sobald man den Havana Club betritt, vergisst man das allerdings. Besonders der private Raum ist wirklich schön und entspan­nend. „Rauchen wird immer beliebter“, fährt Gakhov fort. „Jeden Tag sehe ich neue Gesichter im Club. Ich glaube, die Leute haben von der Zigarrenkultur im Ausland erfahren. Sie fragen mich oft, was sie versuchen sollen, wenn sie auf Reisen sind.“ 

Cuban Cigar House

Georgien ist immer noch kubanisches Territorium, und auch Gakhov und sein Partner Ilia Zhgenti verkaufen haupt­sächlich kubanische Zigarren. Zugleich sind sie aber fest entschlossen, nichtku­banische Smokes bekannter zu machen und bieten ihren Kunden derzeit Arturo Fuente, Villiger, Padrón, La Estancia und Toscano an. Im Davidoff Cigar House be­kommt man auch Marken, die ebenfalls zu jenen des Mutterkonzerns zählen, wie Camacho und Avo Uvezian. Es gibt also Fortschritte, aber nur langsame.

Das In­teresse an nichtkubanischen Zigarren ist heute größer, auch wenn die Leute nor­malerweise mit kubanischen Smokes be­ginnen. „Nach einer Weile probieren sie vielleicht etwas anderes aus, aber meis­tens kehren sie zu kubanischen Zigarren zurück“, erklärt Gakhov. 

Herauszufinden, welche Zigarren Sta­lin rauchte, ist einfacher, als ich dachte. Sobald ich das Stalin­Museum in Gori betrete, stoße ich auf einen Schaukasten, der Pfeifen, Zigaretten, Aschenbecher und drei seiner Zigarren enthält. Dabei handelt es sich – wenig überraschend für die damalige Zeit – um kubanische Zi­garren. Mehr als das, was sichtbar ist, zu erfahren, erweist sich jedoch als schwie­riger. Daher bin ich leider nicht klüger als zuvor, wenn es darum geht, wie oft und wo Stalin Zigarren rauchte. 

Wir beenden unsere Tour in Tskaltubo, einem ehemaligen sowjetischen Kurort, der heute etwa 20 verlassene Spa­Hotels beherbergt und seinen einstigen Glanz verloren hat. Die Natur und Flüchtlinge aus der teilweise anerkannten Repub­lik Abchasien haben nun diese großen Überreste einer kommunistischen Ver­gangenheit für sich beansprucht, und es ist beeindruckend, die verfallenen Ball­säle und Innenhöfe zu besichtigen. Ein Gebäude ist immer noch in Betrieb: das Badehaus Nr. 6, das Stalin oft besuchte und wo er sogar seine eigene „Badewanne“ hatte. 

Zurück in Tiflis verbringe ich meinen letzten Tag mit Gakhov, Zhgenti und ei­ner Flasche ihres eigenen georgischen Weins, der passenderweise Havana Club heißt. Da Georgien als die Geburtsstät­te des Weins gilt, ist dies ein weiterer Aspekt, der einen Besuch lohnenswert macht. Und sie haben hier ihre eigene traditionelle Art, Wein zu produzieren. „Wir vergären die Trauben, nicht nur den Saft, unterirdisch in Tongefäßen, damit die Temperatur über das ganze Jahr kon­stant ist. Es handelt sich meist um voll­mundige Weine.“

Während wir den Wein genießen, erzählen sie mir von der Zigar­renszene zu Sowjetzeiten. „Vor der Eröff­nung des Cuban House und Davidoff gab es keine Zigarrenkultur. Doch vor 30, 40 Jahren konnte man in jedem Supermarkt kubanische Zigarren kaufen“, sagt Zhgen­ti. „Es gab allerdings keine Humidore und auch nicht viele Leute, die rauchten, des­halb trockneten die Zigarren aus. Aber sie waren erhältlich.“ 

In Sachen Sowjetzeiten erfahre ich auch ein wenig mehr über Stalins Rauchge­wohnheiten. „Ich weiß nicht viel, was Zigarren betrifft“, sagt Gakhov. „Er be­vorzugte Pfeifenrauchen und nahm den Tabak von Herzegovina Flor­Zigaretten und stopfte ihn in seine Pfeife. Ich bin ziemlich sicher, dass Zigarren nur ge­raucht wurden, wenn ein gewisser Herr Churchill oder andere wichtige Männer zu Besuch kamen.“ 

In einigen Supermärkten, Restaurants und Cafés sind Zigarren auch heute noch erhältlich, aber seit 2018 ist es nicht mehr erlaubt, drinnen zu rauchen. „Man kann jetzt nur noch in Zigarrenclubs und Ka­sinos rauchen, und sie dürfen kein Essen mehr servieren“, informiert Gakhov. „Die Lizenz gilt aber nur für Zigarren, nicht für Zigaretten oder Zigarillos“, fügt Zhgenti hinzu. „Abgesehen von den Kasinos ist unser Geschäft eigentlich das einzige in Georgien, das diese Lizenz hat. Offiziell darf man jetzt nicht einmal mehr im Da­vidoff Cigar House rauchen.“ 

Nicht nur die neue Lizenz macht es für Leute wie Zhgenti und Gakhov schwie­riger, ihr Geschäft zu betreiben. Noch schlimmer ist ein neues Gesetz, das die georgische Regierung im Frühjahr 2019 verabschiedete. Dieses besagt, dass Aufkleber nicht ausreichen, sondern Gesundheitswarnungen direkt auf die Kisten gedruckt werden müssen, was für einen kleinen Markt wie Georgien ei­nen logistischen Alptraum darstellt.

„Da dies in keinem anderen Land üblich ist, machen es die Hersteller nicht“, erklärt Gakhov. „Stellen Sie sich vor, Habanos zu bitten, ein Bild auf ihre Cohiba­Kiste zu drucken. Sie werden es nicht tun. Also müssen wir es hier vorerst selbst ma­chen.“ 

Laut Ilia Zhgenti darf man im Davidoff Cigar House offiziell nicht mehr rauchen, doch die Leute scheinen es trotzdem zu tun

Das bedeutet, dass sie ihre eigenen Kis­ten mit Gesundheitswarnungen herstel­len. Als das Gesetz durchgesetzt wurde, durften sie anfangs noch zum Zoll gehen, die Zigarrenkisten in ihre eigenen Boxen verpacken, diese versiegeln und mitneh­men. Doch später mussten sie ihre Kisten in die Erzeugerländer senden. „Die Unternehmen haben dann die Originalkis­ten in unsere gesteckt und sie zurückge­schickt.“

Als ob das noch nicht genug wäre, dürfen sie auch keine Zigarren zur Schaustellen oder ohne Verpackung verkaufen. „Die Zi­garren müssen sich in geschlossenen Kis­ten befinden, damit man das Warnetikett deutlich sehen kann“, sagt Zhgenti. „Of­fiziell heißt das, dass wir keine einzelnen Zigarren verkaufen dürfen, wenn sie nicht in Tubos sind, denn jedes Produkt muss verpackt sein und ein Etikett aufweisen.“ Wer also eine Zigarre im Havana Club oder in einer anderen Lounge in Geor­gien rauchen möchte, müsste eine gan­ze Kiste kaufen. „Das ist verrückt“, meint Zhgenti. „Wir haben 500 verschiedene Zi­garren zur Auswahl. Wer kauft eine ganze Kiste in einer Lounge?“

Außerhalb von Tiflis ist es schwieriger, Zigarren zu kaufen und zu rauchen. Gak­hov und Zhgenti beliefern alle Kasinos und einige Restaurants in Batumi, der zweitgrößten Stadt Georgiens. Darüber hinaus gibt es einige Humidore in Res­taurants in der Weinregion Kachetien. Wenn Sie also einen anderen Ort in Ge­orgien besuchen, dann decken Sie sich am besten mit Zigarren ein, bevor Sie die Hauptstadt verlassen. 

Fotos: Simon Lundh

Nachdem Simon Lundh 2005 sein Ingenieursdiplom in Vermessungstechnik erwarb, entschied er sich für eine journalistische Laufbahn. Er entdeckte die Welt der Zigarren während er für eine nichtstaatliche Organisation in Estelí, Nicaragua, arbeitete und verdient seinen Lebensunterhalt nun größtenteils mit Artikeln über Zigarren, Metal Music und Tattoos sowie Reiseberichten.


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