Didier Houvenaghel sieht die COVID-19-bedingten Flugbeschränkungen als Atempause. Dadurch hat er Zeit gefunden, sich von seinem sonst sehr vollen Terminkalender, der das Management seiner Zigarrenmarken, stressige internationale Reisen und die Anforderungen einer jungen Familie umfasst, zu lösen. In dieser Zwangspause hat er der zweiten Ausgabe von The Cigar, From Soil to Soul den letzten Schliff gegeben. Die erste Edition, deren Konzept bis ins Jahr 1999 zurückreicht, erschien 2005 auf Französisch, eine englische Version folgte 2008. Seither hat er eine enzyklopädische Fülle an Inhalten zusammengetragen und in der flugfreien Zeit jene Überlegungen verfeinert, an denen er seit 2017 stetig arbeitet. Houvenaghels wissenschaftlicher Zugang zur ersten und auch zur zweiten Ausgabe ist auf seine frühe Karriere zurückzuführen. Via Zoom-Session von seinem Haus in Singapur aus erzählt er, dass er nach seinem Agraringenieur-Studium in Belgien in den späten 1990er-Jahren bald nach Lateinamerika reiste. Schließlich absolvierte er ein postgraduales Studium mit Schwerpunkt auf Schwarztabak und Zuckerrohr an der Universität Hermanos Saíz Montes de Oca in Pinar del Río, Kuba. In der ersten Auflage wird auf die Beiträge von zwei seiner Professoren in Kuba für die landwirtschaftlichen Kapitel des Buches hingewiesen. In den Jahren 2000 und 2001 erkundete Houvenaghel Nicaragua und entdeckte den nicaraguanischen Tabak, was letztlich zum Launch seiner Zigarrenmarken Nicarao, La Ley, Furia und La Preferida führte, die nun in Kooperation mit A.J. Fernández produziert werden.
Didier Houvenaghel meint, dass er in der französischsprachigen Zigarren-Community bekannt sei, da die erste Auflage als Hardcover auf Französisch erschien, doch die englischsprachige Zigarrenszene ist weniger mit seiner Arbeit vertraut. „Die englische Übersetzung erschien als Taschenbuch, und ich war nicht besonders stolz darauf“, sagt er. Diese Exemplare wurden daher nicht beworben, sondern an Händler und Passionados auf Messen wie der InterTabac und bei anderen Zigarren-Events verteilt. In der zweiten Auflage von The Cigar, From Soil to Soul gibt es neben den sieben Kapiteln der ersten Edition drei weitere Kapitel, womit das neue Buch statt 168 Seiten etwa 400 Seiten hat. „Zu den neuen Teilen zählt ein Kapitel, das sich mit der wissenschaftlichen Herangehensweise an Zigarren befasst und sich auf die Brennkapazität, den chemischen und biologischen Inhalt von Zigarrentabak und das Zugverhalten konzentriert“, erklärt Houvenaghel. „Ein Kapitel ist ausschließlich der Wertschätzung von Zigarren aus der Sicht eines Passionados gewidmet und beschreibt, wie einfach es ist, Geschmack und Aroma zu genießen.“ Die anderen Kapitel befassen sich mit Lagerung und Reifung, kritischen sensorischen Bewertungen und Defekten von Zigarren. Die neue Ausgabe, die zunächst nur auf Englisch erscheinen wird, wurde durch einen Mangel an wissenschaftlich orientierten Diskussionen über Zigarren motiviert. „Ich hatte die Nase voll von ,Experten‘, die nicht wissen, wovon sie reden, oder die stark von Marken, Terroir und Geschichte voreingenommen sind“, sagt Houvenaghel. „Mein Wunsch zu schreiben und zu teilen, entstand aus dem Fehlen von Büchern, die einen Einblick in die Methodik der Geschmackserkennung und des echten Verständnisses geben. Die zweite Auflage wird Lesern die Chance geben, ihre eigene Wahrheit zu entdecken. Meine Bücher mögen nicht fehlerfrei sein, aber sie sind völlig neutral und bieten einen wissenschaftlichen, skeptischen Ansatz zum Verständnis von Zigarren. Beide Ausgaben sind zur Förderung der Diskussion gedacht.“
„Beim Schreiben habe ich mich an drei Punkte gehalten: dass das Buch neutral ist, also, dass keine Marken erwähnt werden; dass es hochwissenschaftlich, aber klar geschrieben ist, und dass es unabhängige Kapitel enthält, die wie jedes andere Sachbuch gelesen werden können“, erzählt er mir. „Der Leser kann die Kapitel überspringen und individuell lesen, die Themen also in seinem eigenen Tempo erkunden, wodurch das Buch eine unterhaltsame und leichte Lektüreist.“ Didiers Schwester Gaëlle illustrierte die erste Ausgabe; für die neue Edition steuerten vier Künstler aus der Ukraine, Malaysia und Indonesien wissenschaftliche, botanische und porträtartige Zeichnungen bei. „Jede einzelne davon erforderte eine ganze Seite an Briefing-Notizen zur Anleitung der Illustratoren. Ich habe echt unterschätzt, wie lange es dauert, angepasste technische und schöne Zeichnungen anzufertigen“, so Houvenaghel. Das Vorwort der ersten Ausgabe wurde von Arsenio Ramos Mendez, einem Tabakspezialisten im kubanischen Landwirtschaftsministerium, verfasst; das der zweiten Edition vom befreundeten Autor Min Ron Nee. Houvenaghel erklärt, dass er die wissenschaftliche Intensität in seinem Schreiben etwas reduziert hat, aber sein Ziel beibehielt, die Forschung an Premiumzigarren voranzutreiben. „Ich teile Wissen und leiste so einen Beitrag zur Zigarrenwelt. Es gibt keinen primären finanziellen Anreiz, ein Buch wie dieses zu schreiben; die Veröffentlichung eines solchen Werkes bereitet mir Freude, wenn jemand dadurch sein Wissen über Zigarren bereichert.“