Wer die Ursprünge von Habanos-Marken erforscht hat, kennt einen der Aspekte, der die Marke Montecristo ursprünglich von der Konkurrenz abhob: Es gab nur fünf Formate und diese trugen Nummern statt den üblichen, blumigen spanischen Namen: No. 1 (eine Cervantes), No. 2 (eine Piramide), No. 3 (eine Corona), No. 4 (eine Mareva) und No. 5 (eine Perla).
Diese Formate existieren zwar nach wie vor, stehen heute aber in einer Reihe mit anderen Vitolas, darunter Edmundo und die Open-Serie, die vorwiegend deshalb geschaffen wurden, um das neue Verlangen nach kräftigeren Zigarren zu befriedigen.
Man ging stets davon aus, dass diese numerische Aufstellung seit den Anfängen von Montecristo im Jahr 1935 dessen Sortiment bildete. Im Zuge meiner Nachforschungen über die Vergangenheit von Hunters & Frankau, dem exklusiven Habanos-Vertriebshändler für das Vereinigte Königreich, der im Jahr 2015 sein 225-Jahre-Jubiläum feierte, fand ich jedoch einige Dokumente, die auf eine andere Geschichte hindeuten. In der Tat scheint es, dass Montecristos Markenzeichen erst einige Jahre später das Licht der Welt erblickte.
Die erste öffentliche Erwähnung von Montecristo findet sich in der August-Ausgabe 1935 des Magazins „Habano“, der damaligen Hauptinformationsquelle für die Zigarrenbranche in Kuba.
In einem Artikel über die jüngst von einem jungen Spanier namens Alonso Menendez erworbene Fabrik Particulares wird neben deren Hauptmarken – Particulares und Byron, die vorwiegend im Vereinigten Königreich verkauft wurden – auch die Marke Montecristo kurz genannt.
Zudem heißt es in dem Beitrag, dass Alonso Menendez’ Partner José Manuel (Pépé) García demnächst nach England reisen wird, um seine Importeure zu treffen und sie über die neue Entwicklung bei Particulares S.A. zu informieren.
Vor vielen Jahren erzählte mir der mittlerweile verstorbene Walter Kahn, dessen Vater in den 1930er-Jahren Habanos-Importeur war, dass Pépé García in Wirklichkeit die Absicht hatte, einen Händler für Montecristo-Zigarren im Vereinigten Königreich zu finden. Der Geschichte zufolge besuchte er alle britischen Importeure, aber keiner davon zeigte Interesse am Vertrieb einer neuen Marke. Doch dann traf er einen Mann namens Jack Benham, Geschäftsführer von John Hunter, Morris & Elkan Ltd., einem Vorläufer von Hunters & Frankau. Benham, der damals Mitte Dreißig war, erkannte die Chance, welche Montecristo bot, und überzeugte das Unternehmen trotz Einwänden von mehreren Vorstandsmitgliedern, die junge Marke aufzunehmen.
Eines der Dokumente, die ich fand, war ein von Alonso Menendez unterschriebener Brief vom 10. Februar 1936 an John Hunter, Morris & Elkan, in dem Particulares S.A. Pépé Garcías Angebot eines 15-jährigen Exklusivvertrags für Montecristo am britischen Markt bestätigt. Dieses wurde angenommen und die Marke wird seit dieser Zeit von demselben Hunters & Frankau in Großbritannien vertrieben.
Noch eine Spur interessanter ist jedoch, dass an das Schreiben eine Liste mit den zwölf verfügbaren Vitolas der Marke angeheftet war: Kohinoors, Coronas Manga (sic – Magna), Piramides, Cesares, Coronas, Petit Coronas, Half-a-Coronas, Grandes, Londres, Borlas, Faroles und Damas.
Einige dieser Formate sind wiedererkennbar, wie zum Beispiel die Piramide (No. 2), Corona (No. 3) und Petit Corona (No. 4) oder auch die Half-a-Coronas (3½”/90 mm x 42) und Londres (5”/126 mm x 40), aber die restlichen sind – zumindest meines Wissens nach – im Laufe der Zeit verloren gegangen. Ich war völlig verwirrt, bis Jemma Freeman, die derzeitige Geschäftsführerin von Hunters & Frankau, zufällig ein altes Buch mit Aufzeichnungen von John Hunter, Morris & Elkan als Geschenk bekam, das alle Eingangsrechnungen für Zigarren zwischen 1939 und 1951 enthält.
Im Jahr 1939 trafen regelmäßige Lieferungen von Montecristos ein – bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, als die britische Regierung strenge US-Dollar-Kontrollen einführte, was alle Importe aus Havanna zum Stillstand brachte. Diese Einfuhrregulierung galt 14 Jahre lang, aber anscheinend inkludierte der Vertrag für Montecristo eine Kommission für Sendungen in die Schweiz und nach Irland, beides Länder, die nicht unter Dollar-Kontrollen litten.
Während sich in den Lieferungen des Jahres 1939 Format-Namen wie Odeons und Coronas Reales finden, stammt die erste Rechnung, auf der die berühmte Nummern-Serie auftaucht, vom Oktober 1946 und ist an eine Firma namens Müller in Basel adressiert. Demzufolge fand die Änderung der Vitola-Bezeichnungen irgendwann zwischen 1940 und 1946 statt. Genauere Informationen dazu gibt es vielleicht in den USA, da diese während des Zweiten Weltkriegs der Hauptmarkt für Montecristo waren, aber ich muss mich erst auf die Suche danach machen.
Kehren wir zurück in die Gegenwart: 2015 feiert Habanos S.A. den Geburtstag seiner größten Marke mit dem Launch von zwei neuen Formaten. Bei dem einen handelt es sich, wie nicht anders zu erwarten, um eine große Jubiläumszigarre in limitierter Auflage: die Montecristo Aniversario 80 mit den Maßen 165 x 21,8 (6½ x 55). Bei dem anderen – überraschenderweise – um eine neue Standardlinie, die winzig ist: die Media Corona, was so viel wie Half Corona heißt, hat nur eine Länge von 90 Millimeter (3½’’) und ein Ringmaß von 17,5 mm (44), also buchstäblich dieselbe Größe wie die alte Half-a-Corona aus den 1930er-Jahren.
Ich hätte nie gedacht, dass dieses Format bis zu Montecristos Anfängen zurückverfolgt werden kann und nehme an, dass dies auch in Havanna niemandem bewusst ist. Aber was wäre passender, als den großen Geburtstag der Marke mit einer winzigen Zigarre zu feiern, die einen so langen Stammbaum hat?
Dieser Artikel wurde in der Cigar Journal Herbst-Ausgabe 2015 veröffentlicht. Mehr